Der Zitronentisch
kor rekt angetreten, Ma’am .
Nein, daran wollte er jetzt noch nicht denken. Dies waren seine zwei dienstfreien Tage. Sein alljährlicher Fronturlaub. Er hatte sich die Haare schneiden lassen, wie üblich. Hatte den Blazer reinigen lassen, wie üblich. Bei ihm hatte alles seine Ordnung, auch seine Erwartungen und Vergnügungen. Selbst wenn diese Vergnügungen nicht mehr so rasant waren wie früher. Anders, könnte man sagen. Man vertrug nicht mehr so viel, wenn man älter wurde. Konnte sich nicht mehr die Nase begießen wie in alten Zeiten. Also trank man weniger, aber mit mehr Genuss, und war am Ende genauso abgefüllt und blau wie früher. Im Prinzip jedenfalls. Klappte natürlich nicht immer. Mit Babs war es dasselbe. Er erinnerte sich noch gut an die erste Runde, damals vor langer Zeit. Eigentlich erstaunlich, in Anbetracht seines damaligen Zustands. Und das war auch so was, damals machte es dem ehrenwerten Kameraden anscheinend nicht viel aus, wenn man abgefüllt und blau war. Dreimal. Jacko, alter Hund. Einmal zur Begrüßung, einmal volles Rohr, dann noch einmal zum Abschied. Tja, warum wurden Gummis wohl im Dreierpack verkauft? Für manche bestimmt eine Wochenration, aber wenn man ordentlich gespart hatte, so wie er …
Nun gut, er konnte sich nicht mehr die Nase begießen wie in alten Zeiten. Und der ehrenwerte Kamerad brach te keine Dreipunktlandung mehr zustande. Für Reisende mit Seniorenticket war einmal bestimmt genug. Man soll der Pumpe ja nicht zu viel zumuten. Und allein der Ge danke, was er Pamela damit antun würde … Nein, er hat te nicht die Absicht, der Pumpe zu viel zuzumuten. Das Prunkschwert in der Scheide, und nur eine kleine Flasche Champagner zu zweit. In alten Zeiten hatten sie immer eine ganze Flasche geschafft. Jeder drei Gläser, für jede Nummer eins. Jetzt war es nur noch eine kleine Flasche – irgendein Sonderangebot aus dem Laden am Bahnhof –, und oft tranken sie die nicht mal ganz aus. Babs bekam so leicht Sodbrennen, und er wollte nicht allzu angeschlagen zum Regimentstreffen antreten. Meistens redeten sie mit einander. Manchmal schliefen sie auch.
Er machte Pamela keinen Vorwurf. Manche Frauen verloren nach den Wechseljahren eben die Lust. Alles rein biologisch, keiner hatte Schuld daran. Bei Frauen war das einfach so. Man installiert ein System, das System produziert das, wozu es da ist – nämlich Sprösslinge, siehe Jennifer und Mike –, und dann schaltet es sich ab. Mütterchen Natur stellt den Schmierdienst ein. Kein Wunder, schließlich ist Mütterchen Natur eindeutig weiblichen Geschlechts. Kann man niemandem vorwerfen. Ihm also auch nicht. Er wollte sich nur vergewissern, dass seine Maschinerie noch intakt war. Dass Väterchen Natur den Schmierdienst noch nicht eingestellt hatte. Eine Frage der Hygiene, im Grunde.
Ja, genau. Er machte sich selbst nichts vor. Keine Haar spaltereien und Spitzfindigkeiten. Mit Pamela ließ sich das ja nicht gut erörtern, Hauptsache, man konnte sich beim Rasieren noch gerade ins Gesicht sehen. Er fragte sich, ob die Burschen, die ihm vor ein paar Jahren beim Regimentstreffen gegenübergesessen hatten, das von sich behaupten konnten. Wie die geredet hatten. Von den alten Kasinoregeln war natürlich nicht mehr viel übrig, oder sie wurden einfach nicht mehr beachtet, und diese klei nen aufgeblasenen Wichte waren schon zu Beginn des Es sens ziemlich knülle gewesen und waren über das schöne Geschlecht hergezogen, noch ehe der Portwein gereicht wurde. Er persönlich hätte das ja nicht durchgehen lassen. Seiner Meinung nach waren in letzter Zeit zu viele Klug schwätzer ins Regiment gekommen. Darum hatte er sich anhören müssen, wie die drei sich gebärdeten, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. »In der Ehe heißt das oberste Gebot, sich nicht erwischen zu lassen«, hatte der Anführer gesagt, und die beiden anderen hatten genickt. Aber da war ihm noch nicht die Galle übergelaufen. Das war erst, als sich der Bursche darüber verbreitete – damit protzte, genauer gesagt –, dass er wieder was mit einer al ten Freundin angefangen hatte, einer von früher, bevor er seine Frau kennen gelernt hatte. »Das zählt nicht«, hatte einer der anderen Klugschwätzer getönt. »Präexistenter Ehebruch. Zählt nicht.« Jacko hatte eine Weile gebraucht, bis er daraus schlau geworden war, und dann fand er nicht viel Gefallen an dem, was er verstanden hatte. Haarspalte reien und Spitzfindigkeiten.
Ob er auch so gewesen war,
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