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Der Zitronentisch

Der Zitronentisch

Titel: Der Zitronentisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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    Am Anfang war alles gelaufen wie üblich, nämlich perfekt. Zug pünktlich eingetroffen, Marsch durch die Stadt zu John Lewis, Hand ausbreiten, um Umfang von Salatschleuder anzuzeigen, Größe erkannt, leider keine Ersatzteile separat zu haben, aber Sonderangebot, womöglich billiger als damals, als Madame sie gekauft hat. Überlegung, Innenteil der Salatschleuder am Ort des Einkaufs wegzuwerfen und zu behaupten, er habe Außenschale solo auftreiben und beschaffen können. Entscheidung getroffen, Gegenstand bei Rückkehr komplett zu präsentieren. Schließlich könnte Herr Ungeschickt zur Feier des Tages auch mal das Innere des Apparats fallen lassen. Allerdings würde er bei seinem üblichen Pech wahrscheinlich wieder die Schale kaputtschlagen, und dann könnten sie ihr Leben lang Innenteile horten.
    Quer durch die Stadt zurück. Begrüßt und wiederer kannt von dem Ausländer, der Pension betreibt. Münze eingeworfen, Heimatstandort sichere Ankunft gemeldet. Sehr anständiges Hühner-Curry. Zwei Halbe, nicht mehr und nicht weniger, im Marquis of Granby. Disziplin ge halten. Kein unnötiger Druck auf Blase und Prostata. Nacht überstanden mit einem einzigen Gang zur Latrine. Geschlafen wie das sprichwörtliche Baby. Am nächsten Morgen ein Würstchen extra erschmeichelt. Sonderange bot für kleine Flasche Champagner gefunden. Auftrags liste reibungslos abgearbeitet. Waschen, Zähneputzen. Punkt zwei Uhr zum Appell angetreten.
    Und da war Ende der Fahnenstange. Beim Klingeln hatte er schon die vertrauten blonden Löckchen und den rosa Hausmantel vor sich gesehen, das bekannte Kichern gehört. Doch dann öffnete eine dunkelhaarige, unechte, mittelalte Person die Tür. Er stand verwirrt da, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ein Geschenk für mich?«, sagte sie, vielleicht nur um Konversation zu machen, streckte die Hand aus und packte den Champagner am Hals. Statt einer Antwort hielt er die Flasche fest, und dann folgte ein lächerliches Ziehen und Zerren, bis er schließlich sagte:
    »Babs.«
    »Babs braucht noch einen Moment«, sagte sie und machte die Tür weiter auf. Das kam ihm nicht richtig vor, aber er folgte ihr in das Wohnzimmer, das seit dem letzten Jahr renoviert worden war. Renoviert wie ein Hurensalon, dachte er.
    »Soll ich das in den Kühlschrank stellen?«, fragte sie, aber er ließ die Flasche nicht los.
    »Zu Besuch in London?«, fragte sie.
    »Der Herr ist vom Militär?«, fragte sie.
    »Hat’s Ihnen die Sprache verschlagen?«, fragte sie.
    Eine Viertelstunde lang saßen sie schweigend da, bis er eine Tür klappen hörte, dann eine zweite. Auf einmal stand die Dunkelhaarige mit einer großen Blonden vor ihm, deren BH ihm ihre Titten darbot wie eine Obstschale.
    »Babs«, wiederholte er.
    »Ich bin Babs«, antwortete die Blonde.
    »Du bist nicht Babs«, sagte er.
    »Wenn du meinst«, antwortete sie.
    »Du bist nicht Babs«, wiederholte er.
    Die beiden Frauen sahen sich an, und dann sagte die Blonde gleichgültig und kalt: »Hör mal, Opa, ich richte mich da ganz nach deinen Wünschen, okay?«
    Er stand auf. Er guckte die beiden Flittchen an. Er erklärte es ganz langsam, sodass es auch der dämlichste Rekrut begreifen konnte.
    »Ach«, sagte eine von beiden. »Sie meinen Nora.«
    »Nora?«
    »Tja, wir haben sie Nora genannt. Tut mir Leid. Nein, sie ist vor etwa neun Monaten von uns gegangen.«
    Er hatte nicht verstanden. Er dachte, sie meinten, sie sei weggezogen. Dann hatte er wieder nicht verstanden. Er dachte, sie meinten, sie sei ermordet worden, bei einem Autounfall umgekommen oder so.
    »Sie war nicht mehr die Jüngste«, sagte eine schließlich als Erklärung. Er musste wohl wütend geguckt haben, denn sie fügte ziemlich nervös hinzu: »Soll keine Beleidigung sein. Ist nicht persönlich gemeint.«
    Sie machten den Champagner auf. Die Dunkelhaarige brachte die falschen Gläser. Er und Babs hatten immer aus Wasserbechern getrunken. Der Champagner war warm.
    »Ich hab eine Postkarte geschickt«, sagte er. »Ein Prunkschwert.«
    »Ja«, antworteten sie gleichgültig.
    Sie leerten die Gläser. Die Dunkelhaarige sagte: »Also, wollen Sie immer noch, wofür Sie gekommen sind?«
    Er hatte nicht richtig überlegt. Wahrscheinlich hatte er genickt. Die Blonde sagte: »Soll ich Babs für Sie sein?«
    Babs war Nora gewesen. Das ging ihm im Kopf herum. Er merkte, wie er wieder wütend wurde. »Sie sollen das sein, was Sie sind.« Das war ein Befehl.
    Wieder sahen sich die beiden Frauen an. Die

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