Der zögernde Schwertkämpfer
ganz zu schweigen von den Dingen, um die es hier geht. Ich habe die Zeit angehalten, damit wir uns unterhalten können, aber ich habe sie nicht für Sie angehalten, und wenn ich Ihnen das alles erklären würde, dann würde Sie an Altersschwäche sterben, bevor wir weiterkommen.« Er seufzte.
»Die Wahrheit ist wie ein feingeschliffener Juwel, Mr. Smith, mit einer Million Facetten. Wenn ich Ihnen nun eine Facette dieses Juwels zeige, werden Sie dann zufrieden sein und andererseits nicht vergessen, daß es nur eine ist und es noch viele andere gibt?«
»Ich werde es versuchen, Meister«, sagte Wallie. Er kroch noch ein Stück weiter über den Felsen und setzte sich schließlich auf die Kante, wo er die Beine über dem Abgrund baumeln ließ.
Der Junge warf ihm einen nachdenklichen Blick zu.
»Nach alledem«, sagte er, »sind Sie immer noch der Meinung, daß das Leben lebenswert ist, doch Sie wissen, daß der Tod unvermeidbar ist. Sie glauben, daß ein Elektron ein Teilchen ist und eine Welle gleichermaßen, nicht wahr? Sie wissen, daß Liebe und Lust die höchste und die niederste menschliche Antriebskraft sind, und doch lassen sie sich meistens nicht trennen. Sie besitzen also eine gewisse Fähigkeit, sich mit widersprüchlichen Wahrheiten abzufinden?«
Wallie nickte und wartete.
»Nun denn … ich habe Ihnen einige Tips gegeben.«
»Schach und Bridge? Spielen die Götter Spiele?« Wallie wollte das nicht glauben; war die ganze Geschichte der Menschheit nichts weiter ein Spiel, mit dem sich die Götter einen Spaß machten?
»Das ist eine Facette des Juwels«, sagte der Junge. »Fassen Sie es wie ein Gleichnis auf. Und jemand hat einen falschen Zug gemacht, wie Ihnen Ihr Traum gezeigt hat. Es verstößt nicht gegen die Regeln, sich einen falschen Zug zunutze zu machen! Im Handeln der Götter, verstehen Sie, gibt es keinen Zufall und nichts Unerwartetes, doch manchmal gibt es das Ungewöhnliche. Sie waren ungewöhnlich. Das erklärt, warum Sie verfügbar waren. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
Er bedachte Wallie mit einem angewiderten Blick. »Und eilen Sie jetzt nicht von dannen und gründen eine neue Religion mit diesen Erkenntnissen – das ist immer ein Risiko, wenn Sterblichen von Göttern etwas erklärt wird. Sehen Sie, während die eine Facette bedeutet, daß gewisse … Kräfte … gegeneinander wirken, sind sie in anderen Facetten des Juwels Partner. Ziemlich verwirrend, nicht wahr?«
Wallie nickte. Verwirrend war zu milde ausgedrückt.
»Viele andere Facetten hingegen enthalten überhaupt keinen Widerspruch. Deuten Sie meine Parabel nicht dahingehend, daß Sie unwichtig sind. In Ihrer früheren Welt, als die Krieger mit blechbedeckter Brust und vorgerecktem Kinn aufeinander losgingen, um Krieg zu spielen, war das ein Spiel?«
Wallie mußte lächeln. »Ja und nein, Meister.«
Der Junge sah erleichtert aus. »Also gut. Wir wollen weitermachen und uns nicht mit Erklärungen aufhalten. Sie haben gezeigt, daß Sie Mut haben. Sie verfügen über Shonsus Körper und seine Sprache, und Sie können mit seinen Fähigkeiten ausgestattet werden. Fühlen Sie sich dem gewachsen?«
Wallie kam der Gedanke, daß dies das merkwürdigste Bewerbungsgespräch in der Geschichte des Planetensystems sein dürfte – was für ein Planetensystem das immer sein mochte. Ein kleiner nackter Junge, der am Rand eines Felsens hinter einem erstarrten Wasserfall einen großen nackten Mann prüfte!
»Ich bin besser als Hardduju. Er ist der einzige Maßstab, nach dem ich urteilen kann.«
Der Junge zischte etwas Unverständliches über Hardduju. »Für alle Künste gibt es ein Sutra«, sagte er, »und in den meisten Fällen enthält das erste Sutra einen Kodex. Wenn ein Junge zum Schwertkämpfer wird, dann schwört er, sich dem Kodex der Schwertkämpfer zu unterwerfen. Hören Sie zu!«
Er leierte eine lange Latte von Gelöbnissen herunter. Wallie hörte ihm mit wachsendem Mißfallen und Unbehagen zu. Bei den Schwertkämpfern mußte es sich allem Anschein nach um ein Mittelding zwischen Tempelritter und Pfadfinder handeln. Kein Sterblicher konnte diesen hohen Anforderungen gerecht werden … zumindest nicht Wallie Smith.
#KODEX
Ich gelobe, mich allzeit treu zu fügen dem Willen der Göttin, den Sutras der Schwertkämpfer,
dem Gesetz des Volkes.
Ich werde mächtig mit den Mächtigen verfahren,
sanft mit den Schwachen,
großzügig mit den Armen,
gnadenlos mit den Habgierigen.
Ich werde nichts tun, dessen ich
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