Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
Vom Netzwerk:
»Ich habe Ihnen Shonsus Fähigkeiten versprochen.« Ein weiteres Blatt fiel von seinem Zweig.
    Wallie spürte in sich selbst nichts, doch das Schwert in seiner Hand verwandelte sich. Es war immer noch ein künstlerisches Meisterwerk, aber jetzt sah er, daß es auch ein Meisterwerk des Schmiedehandwerks war – ein da Vinci, aber auch eine Stradivari. Es war nicht mehr schwer, es war sogar überraschend leicht. Er sprang auf und schwang es durch die Luft.
    En garde – Quart …
    Ausfall …
    Parade …
    Riposte – Quint …
    Er hielt die Waffe mit ausgewogenem, sicherem Griff in der Hand. Jetzt erkannte er die vorzügliche Kombination von Biegsamkeit für ein kraftvolles Zustoßen und
    Starrheit für ein wirkungsvolles Eindringen. Er hätte sich damit rasieren können, wenn sich für ihn noch die Notwendigkeit des Rasierens ergeben hätte. Es war ein unglaublicher Triumph der Metallverarbeitung und Formgebung und Schönheit, um eine Fingerlänge länger als die meisten Schwerter, um mit dem schmuckvollen Griff zu harmonieren. Doch das Metall war von so feiner Qualität, daß er nicht zu befürchten brauchte, die Überlänge könnte die Waffe schwächen. Mit seinen langen Armen konnte er ein solches Schwert ziehen – und er hatte den furchteinflößenden Vorteil der größeren Reichweite. Intuitiv zitierte er aus dem vierten Sutra »über den Umgang mit dem Schwert« : »D ÖS Schwert ist das Leben des Schwertkämpfers und der Tod seines ’Widersachers.«
    Dann hielt er inne und starrte verblüfft den mit überkreuzten Beinen dasitzenden Jungen auf dem Felsen an. Es gab elfhundertundvierundvierzig Sutras. Er hätte jedes zitieren können. Alle zusammen versorgten ihn mit dem Wissen, das er brauchte …
    Er war ein Schwertkämpfer der Siebten Stufe.
    »Also wirklich, Ihr habt ein großartiges Wunder vollbracht, Meister«, sagte er voller Hochachtung.
    Das Kind kicherte wie ein Kind. »Man hat selten Gelegenheit dazu. Aber seid gewarnt – es ist ein sterbliches Schwert. Es hat keine magischen Kräfte. Es kann verlorengehen oder zerbrechen, und auch Ihr seid sterblich. Ich habe Euch die Fähigkeiten und das Wissen von Shonsu gegeben, das ist alles. Ihr könntet besiegt werden.«
    Wallie hob das Schwertgeschirr auf, legte es um und ließ die Klinge fachmännisch in die Scheide gleiten. Er schloß die Schnallen, und die Ausrüstung war perfekt. Glaube und Vertrauen strömten durch seine Adern, und jetzt, mit einemmal, konnte er schwelgen in dieser unvertrauten, doch wundervollen Jugend und Stärke und Geschicktheit, die ihm verliehen worden waren. Sein
    Schrecken vor dem Gott war zu einem achtsamen Respekt verblaßt. Zum erstenmal, seit er in der Pilgerhütte aufgewacht war, freute er sich auf die Zukunft. Er stellte fest, daß ihm sogar auch ziemlich klar war, was diese sieben Schwerter in seinem Gesicht bedeuteten – nach irdischen Maßstäben des Mittelalters war er so etwas wie ein königlicher Herzog. Diese Welt stand ihm offen. Kein Wunder, daß die Götter ihn zunächst gefragt hatten, ob er mit einer solchen Autorität auch umgehen könne! Macht verdirbt den Charakter. Die Leute in der Stadt hatten aus ihren Gefühlen gegenüber einem Schwertkämpfer der Siebten Stufe keinen Hehl gemacht.
    »Darf ich Euch jetzt diesen Eid leisten, Meister?« sagte er und behielt seine Erregung fest im Griff.
    »Dieser Eid wird nicht mir geleistet!« fuhr ihn der Junge an. Er sprang auf. »Aber ich werde Euer Zeuge sein. Los!«
    Also zog Wallie das Schwert erneut. Er erhob es über den Kopf und gelobte, sich dem Kodex der Schwertkämpfer zu unterwerfen. Die uralten Worte erfüllten ihn mit Ehrfurcht, und er verspürte große Zufriedenheit, als er die Klinge wieder in die Scheide schob. Jetzt brauchte er sich keine Sorgen mehr darum zu machen, daß er sie richtig auf dem Rücken trug – Shonsu würde das automatisch für ihn regeln.
    »Was ist meine Aufgabe, Meister?« fragte er.
    Der Junge hatte seinen Platz auf dem Felsen wieder eingenommen und ließ die Beine über die Kante baumeln. Er grübelte eine Weile und sah dabei Wallie forschend an.
    Dann sagte er:
     
    »Erst mußt du deinen Bruder in Ketten legen,
    dann nach dem Wissen eines andren streben.
    Wenn der Mächt’ge ist geschmäht,
    ein Heer verdient, ein Kreis gedreht,
    die Lektion gelernt auf deinen Wegen,
    gib zurück das Schwert nach göttlichem Willen,
    damit sich seine Bestimmung wird erfüllen.«
     
    Schweigen.
    »Aber …«, sagte Wallie und hielt inne.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher