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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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zu. Dann fiel er schweigend auf die Knie und brachte der Göttin seine Huldigung dar. Alle Gebete und Rituale, die eines Schwertkämpfers angemessen waren, hatte er im Kopf – er flehte um Vergebung, er schwor, sein Schwert in Ihren Dienst zu stellen, er gelobte Ihr Gehorsam. Er wartete, doch es erfolgte keine Antwort, und er hatte auch nicht mit einer gerechnet. Seine wirkliche Hingabe hatte bereits anderswo stattgefunden; diese Vorstellung hier galt nicht der Göttin, sondern den Zuschauern und vielleicht ihm selbst. Aus Angst, er könnte da am Boden einschlafen, rappelte er sich auf, gefolgt von Nnanji.
    Er warf einen Abschiedsblick auf die Reichtümer aus Jahrhunderten, die auf dem Sockel glitzerten. Nichts von all dem, was er sah, hielt dem Vergleich mit seinem Schwert stand, doch was ihm einst als schändliches Elsternnest erschienen war, beeindruckte ihn jetzt als großartige Opfergaben. Gläubige hatten seit Tausenden von Jahren ihren wertvollsten Besitz hierhergebracht, ihre größten Schätze, um sie der geliebten Göttin zu Füßen zu legen. Wer war er, daß er ihre guten Absichten in Frage gestellt hatte? Seltsam, wie das, was man sah, davon abhing, wie man es betrachtete.
    Er wandte sich zu Honakura um. Ihm kannst du trauen, hatte der Gott gesagt und damit angedeutet, daß die anderen nicht unbedingt vertrauenswürdig waren. Bevor Wallie jedoch das Wort ergreifen konnte, kam ihm der Priester zuvor.
    »Der Rat ist bereit, Euch unverzüglich als Obersten
    Anführer der Tempelwache einzuführen, mein Lord«, verkündete er strahlend, »auch wenn wir es vorziehen würden, eine etwas förmlichere Zeremonie für morgen oder übermorgen vorzubereiten.« Er warf einen mitleidigen Blick auf Wallies Füße und die Blutflecken, die er dort, wo er gekniet hatte, auf dem Boden zurückgelassen hatte.
    Niemand befand sich in Hörweite. »Ich werde das Amt des Obersten Anführers nicht übernehmen«, antwortete Wallie leise.
    Das war ein großer Schock, und im ersten Moment hatte es dem alten Mann die Sprache verschlagen. Dann brach es aus ihm heraus: »Aber, mein Lord, wir haben doch alles genau besprochen …«
    Wallie kämpfte die teuflische Versuchung nieder zu sagen: »Ihr habt den Handel mit Shonsu abgeschlossen, und ich bin Wallie Smith.« Er widerstand ihr, aber nur mit Mühe. »Ich bedaure, Eure Heiligkeit.«
    Honakura sah fassungslos aus, verängstigt und so erschüttert, als wäre Verrat an ihm verübt worden. Wallie rief sich die spitze Bemerkung ins Gedächtnis, die der Gott über die Machenschaften des Tempels geäußert hatte.
    »Mir ist verboten, dieses Amt zu übernehmen«, sagte er schlicht.
    »Verboten?«
    Einem Schwertkämpfer der Siebten Stufe? Dann dämmerte in seinem Geist die Erkenntnis, und der Blick des Alten schweifte zu dem Schwertgriff.
    Wallie nickte. »Ich habe heute mit einem Gott gesprochen«, erklärte er sanft. »Er gab mir dieses Schwert und beauftragte mich, Hardduju zu töten. Doch er verbot mir auch, weiterhin im Tempel zu bleiben. Ich habe eine Mission, die ich für die Göttin erfüllen muß, eine Angelegenheit, die für Sie von größter Bedeutung ist, und deshalb muß ich weiterziehen.«
    Es war ausgeschlossen, mit dieser Autorität zu hadern. Honakura verneigte sich. »Das ist die höchste Ehre, die einem Sterblichen zuteil werden kann, mein Lord. Ich schätze mich glücklich, daß ich auch nur Eure Bekanntschaft gemacht habe.« Das war eine blumenreiche Höflichkeitsfloskel, doch vielleicht steckte auch ein Fünkchen Ernsthaftigkeit darin.
    »Ich werde mich jetzt in die Unterkünfte begeben«, sagte Wallie. Meine Füße bringen mich um! »Vielleicht können wir unser Gespräch morgen fortsetzen, Eure Heiligkeit?«
    »Selbstverständlich, mein Lord.« Der Alte senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Hütet Euch vor Verrätern, Lord Shonsu!«
    Wallie nickte erneut und wandte sich um, um zu sehen, wo sein Vasall geblieben war. Nnanji stand in Bereitschaft, direkt hinter seiner linken Schulter. Und starrte ihn entgeistert an.
    Nnanji hatte alles mitgehört.
    Der Eleve Nnanji war in so ernsthafter Gefahr, daß ihm fast die Augen aus den Höhlen fielen.
    Wallie schleppte sich humpelnd voran, kaum in der Lage, mit seinem storchenbeinigen Vasallen schrittzuhalten, der auf dem gewundenen Weg durch den Hinterausgang vor ihm herging. Die Blicke, die Nnanji immer wieder zu seinem Gebieter zurückwarf, waren so voller Fassungslosigkeit und Bewunderung, daß sie fast brannten.
    Wallies

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