Der zögernde Schwertkämpfer
Erwartung der Vollstreckung seines Todesurteils; heute schwelgte er im Luxus und genoß Macht und Freiheit.
Eine Welt ohne Sorgen?
Er sah sich den Harnisch an, den ihm der Gott mitgegeben hatte. Das Leder war gepunzt, und die Darstellungen zeigten die gleichen Szenen wie auf dem Schwert, obwohl sie künstlerisch nicht ganz so eindrucksvoll sein konnten. Die linke Tasche war leer. Sie enthielt üblicherweise den Wetzstein, also wurde ihm somit eine weitere Botschaft übermittelt: Das Schwert stammte von den Göttern, doch er mußte selbst für das Schärfen der Klinge sorgen. In der rechten Tasche entdeckte er einen Schatz aus funkelnden blauen Edelsteinen. Jetzt verstand er die Bemerkung des Gottes hinsichtlich der Unkosten – er war nicht nur mächtig, er war reich.
Sein Blick wanderte zu der weit entfernten Decke. Die Fresken über dem Bett waren ausgesprochen erotisch. Dieser Körper, der ihm gegeben worden war, brodelte vor Lust – er brauchte noch andere Gesellschaft als die eines Schwertkämpfers. Er drehte den Kopf und blickte durch das Fenster auf der anderen Seite, zu der dünnen Linie von Pilgerhütten, die sich an der Straße am Hang entlangzog. Er hatte noch eine weitere Schuld zu begleichen, doch das war wieder eine ganz andere Angelegenheit. Wenn sie sich entschließen würde … aber es mußte eine vollkommen freie Entscheidung sein. Sich eine Konkubine, eine Sklavin zu halten, käme nach Wallie Smiths Maßstäben einer Vergewaltigung gleich. Davon würde er nicht abgehen. Ehrenhaft und unerschrocken, aber vor allem ehrenhaft.
In der Ferne ertönte ein Signalhorn. Die Mumie an der Tür stob zu einem Wirbel von Decken und langen Gliedern auf, und da war Nnanji, im Schneidersitz, mit strahlenden Augen und nur mit seinem unglaublichen Grinsen von Ohr zu Ohr angetan, bereit zu allen Schandtaten, überall und immer.
»Guten Morgen, Vasall.«
»Die Göttin sei bei Euch, mein Gebieter.«
»Und bei dir«, erwiderte Wallie. »Ich nehme an, man bekommt in dieser Kneipe ein Frühstück serviert, was? Ich bin so hungrig, daß ich ein ganzes Pferd verputzen könnte.«
»Normalerweise servieren sie tatsächlich Pferd zum Frühstück«, sagte Nnanji vergnügt und sah so aus, als ob er es ernst meinte.
Wallie setzte seine eingewickelten Füße vorsichtig zu Boden und zuckte zusammen. »Heute habe ich vor, so ziemlich gar nichts zu tun«, sagte er. »Hast du irgendwelche bestimmten Wünsche?«
»Ich möchte kämpfen lernen, wie Ihr es könnt«, sagte Nnanji schüchtern.
»Oh!« sagte Wallie versonnen. »Das dauert unter Umständen länger als einen Tag. Aber wir können ja mal mit einer oder zwei Unterrichtsstunden anfangen.«
Nnanji grinste begeistert.
Sie erledigten die Morgenandacht gemeinsam und machten sich bereit loszugehen. Nnanji hob Harddujus Schwert auf und betrachtete es zweifelnd.
»Soll ich das wirklich haben, mein Gebieter?« fragte er und fuhr mit dem Finger ungläubig über das Gold und die Rubine. Als Wallie es ihm bestätigte, machte er einen noch verwirrteren Eindruck. »Soll ich es verkaufen?«
Wallie brauchte einen Moment, bis er verstand, und dann ließ ihm die Erkenntnis so sehr das Blut in den Adern stocken, daß er sie schnell mit einem Scherz abtat. »Sonst muß ich dich rächen, das versteht sich – und zwar jedes Mal.«
Nnanji lächelte brav.
»Wir wollen es uns einmal genau ansehen«, sagte Wallie, und bald darauf wies er Nnanji auf die unzulängliche Ausgewogenheit und das unnötige Gewicht hin. Dann ließ er Nnanji das Schwert des Gottes ausprobieren, und das war überhaupt kein Vergleich. Harddujus Schwert war zum Eindruckmachen, nicht zum Kämpfen. Für den Erlös könnte man eine erstklassige Klinge kaufen und behielt noch genug für ein Dutzend andere übrig, während sein Besitz für einen jungen Schwertkämpfer das Todesurteil bedeutete.
Nnanji sah erleichtert aus, wenn auch immer noch überrascht über einen Siebentstufler, der sich herabließ, mit einem Zweitstufler zu scherzen und ihm überdies so mir nichts, dir nichts ein Vermögen schenkte. »Ich danke Euch, mein Gebieter«, sagte er. Er legte das Schwert unter Wallies Bett und trug während des Frühstücks sein altes.
Ihr Weg führte sie hinunter ins Erdgeschoß und durch den Werkstattbereich der Mannschaftsunterkünfte, der immer noch im größten Maßstab angelegt war, aber aus Sandstein anstatt aus Marmor bestand. Der Speisesaal war so groß wie das Gästezimmer und sogar noch höher, mit weit oben
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