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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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sogenannten Belang der Ehre abgeben«, sagte Wallie. »Euch ist vielleicht nicht bekannt, Adept Briu, daß sich der Eleve Nnanji geweigert hat – trotz direkter Bedrohung durch mein Schwert –, sich mir durch den zweiten Eid zu verpflichten, mit der Begründung, daß er bereits durch einen Eid an Euch gebunden ist. Ich nehme doch an, daß Ihr solcher Loyalität würdig seid?«
    Briu lief rot an. »Er hatte die Pflicht, mein Lord.« »Und Ihr die Verantwortung. Ihr solltet außerdem wissen, daß der Eleve Nnanji mir den zweiten Eid erst leistete, nachdem ich es ihm befohlen hatte, als er bereits mein Vasall war und mir nichts mehr abschlagen konnte.«
    Die Zuschauer mußten eine Weile auf Brius Antwort warten.
    »Dahingehend wurde ich von Zeugen unterrichtet, mein Lord.«
    Tarru und die anderen auf der Treppe – sie hatten genau an den Gesten ablesen können, welche Eide geschworen wurden.
    »Dann liegt der Fehler bei mir, als seinem Gebieter«, sagte Wallie. Los, nur zu, fordere mich heraus.
    Brius Gesicht blieb ausdruckslos, doch er schüttelte leicht den Kopf. »Da der dritte Eid die Ehre seines Mentors berührte, hätte er ihn nicht ohne Erlaubnis schwören dürfen, mein Lord.«
    Daran hatte Wallie nicht gedacht, und es entstand eine leichte Regung unter den Zuschauern, als ob dieser Gesichtspunkt auch bei ihnen Überraschung ausgelöst hätte. Hatte ihn sein Shonsu-Gedächtnis im Stich gelassen? Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, hob er eine Augenbraue und erkundigte sich:
    »Tatsächlich? In welchem Sutra ist das festgelegt?«
    Briu zögerte. »In keinem Sutra, das ich jetzt anführen könnte, mein Lord. Und natürlich bewerte ich Eure Kenntnisse der Sutras höher als meine. Es ist lediglich eine Auslegung.«
    Es gab also einen Ausweg. Als der höchstrangige Schwertkämpfer im Tal konnte Wallie ihm einfach erklären, daß diese Auslegung falsch war, und Wallies Standpunkt wäre auf jeden Fall der überlegene. Das wäre eine demütigende Lösung, obwohl vielleicht genau die erwartet wurde.
    »Ich muß gestehen, ich habe noch nie eine Auseinandersetzung in dieser Hinsicht gehört«, sagte Wallie und wollte damit sagen, Shonsu hatte das noch nie gehört.
    »Die Tatsache, daß die Sutras hierzu keine ausdrücklichen Anleitungen bieten, bestätigen, daß es ein sehr seltener Sachverhalt ist. Guter Gesprächsstoff für einen heißen Nachmittag bei einem kalten Bier, meine ich. Ist diese Auslegung Eure eigene?«
    Jetzt wich Briu seinem Blick aus. »Ich habe darüber mit Schwertkämpfern der höheren Stufen gesprochen, mein Lord, und deren Ansicht deckt sich mit der meinen.«
    Natürlich Tarru! Er hatte dieses Theater inszeniert oder zumindest davon gewußt. Bestimmt war Briu mit dieser Angelegenheit zum höchsten Mann gegangen, den er finden konnte, und nur Tarru konnte allen Fünftstuflern das Verlassen des Saals befohlen haben. Welche Dreistigkeit! Nun denn, die Situation verlangte offenbar nach einer kleinen Darstellung von Macht, und – fast wie durch eine bewußte Handlung, zum Beispiel das Drücken eines Schalters – übernahm Wallie die Kontrolle über Shonsu.
    Seine Stimme schwoll bedrohlich an. »Ihr fordert also einen Zweitstufler wegen einer Interpretationsfrage zum Kampf mit tödlichen Waffen heraus, ja, Adept Briu? Nach meiner Meinung ist das verabscheuungswürdig, das Verhalten eines Feiglings!«
    Briu verlagerte sein Gewicht schaukelnd auf die Absätze und wurde schreckensbleich, während sämtliche Schwertkämpfer im Saal gleichzeitig die Luft anzuhalten schienen.
    Wallie hob spöttisch eine Augenbraue.
    Mit hölzernen Bewegungen, zögernd – wie ein Mann, der zu seiner Hinrichtung schreitet – hob Briu die Hand und machte das Zeichen der Herausforderung.
    »Los!« brüllte Wallie und zog.
    Die Hand des Adepten Briu hielt auf halben Weg zum Schwertgriff inne.
    Die Spitze von Lord Shonsus Schwert deutete auf sein Herz.
    Einer der Hunde an der anderen Seite des Raums versuchte sich einen Floh aus dem Fell zu kratzen, und das gleichmäßige Klopfen seines Beins auf den Boden war das einzige, was im Saal zu hören war. Es war alles reglos bis auf das träge Wellenschlagen der Banner in dem Lufthauch, der von den Fenstern her wehte.
    Wallie beugte sich leicht vor, die linke Hand auf den Tisch gestützt, um hinter sich Platz für den Ellbogen zu haben. Es standen Hocker und ein zweiter Tisch hinter Briu, und er wußte wahrscheinlich nicht genau, wo. Wenn er zurückgewichen wäre, hätte ihm das

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