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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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wünschen konnte. Er schritt über einige der Teppiche und entschied, daß sie aus Seide sein mußten, ebenso wie die Wandbehänge. Als er die dicken Eisenriegel an der inneren Tür sah, überzeugte er sich davon, daß die äußere Tür ebenso ausgestattet war, und dann humpelte er auf den Balkon hinaus, um dort die Sicherheitseinrichtungen zu untersuchen.
    Das schattenspendende Überdach war breit, und die glatten Seitenwände boten keinerlei Halt. Jeder Dieb, der versuchen würde einzusteigen, brauchte Flügel. Unter ihm erstreckte sich der Bilderbuchpark, jenseits davon die hohe Mauer, die Gebäude und Elendsbaracken der Stadt und dahinter das Tal mit seiner steilen Straße und der Reihe der Pilgerhütten … und schließlich der indigofarbene Himmel. Der andere Balkon ging wahrscheinlich in die Richtung des Gefängnisses hinaus. Wallie betrachtete mit finsterer Miene die Stadt; er erinnerte sich an das Elend dort und wie es auf ihn gewirkt hatte. Er hörte förmlich die Botschaft, die ihm übermittelt wurde: Die Göttin belohnt ihre Diener reichlich. Zweifle nicht an der Gerechtigkeit der Göttin.
    Er entdeckte einen silbernen Spiegel, in dem er sich von oben bis unten betrachten konnte. Und wieder war da das Bild von Shonsu, das er in seinem Delirium gesehen hatte, nur daß seine Vision nackt gewesen und nicht mit einem groben Sklaventuch umwickelt war, und jetzt wiesen das Gesicht und der Körper über und über Prellungen und Schürfwunden und Schwellungen auf, die Augen waren gequollen und rot unterlaufen, die schwarzen Haare zu einem halb aufgelösten Pferdeschwanz gebunden. Er schnitt seinem Spiegelbild eine Fratze, und der Gesamteindruck war abscheulich. Wie konnte Nnanji nur den Befehl einer solchen Schreckensgestalt entgegennehmen?
    Stimmen und Geklapper kündeten davon, daß Sklaven mit einer riesigen Kupferbadewanne und dampfenden Eimern hereingekommen waren. Ein einbeiniger Schwertkämpfer erteilte in zackigem Ton Anweisungen. Ein anderer Versehrter führte weitere Sklaven mit Handtüchern und Kästen herein. Langsam wurde der Raum voll. Jetzt wurde Wallie klar, daß von ihm erwartet wurde, seine Toilette unter den Augen der Öffentlichkeit zu erledigen, wie Louis XIV., doch er war zu erschöpft, um dagegen etwas einzuwenden. Nnanji löste die Riemen von Wallies Schwertgeschirr und nahm ihm Schwert und Scheide ab, was offensichtlich zu den Aufgaben eines Schützlings gehörte. Sklaven gossen Wasser in die Wanne und schafften im Laufschritt noch mehr herbei. Wallie seufzte bei der wehmütigen Vorstellung eines Brausebads mit gutem Badeschaum, dann ließ er die königliche Behandlung über sich ergehen.
    Die Sklaven bedienten ihn sklavisch, und Wallie ließ sich genüßlich in der Wanne aufweichen, während die anderen Schwertkämpfer eine schweigende Traube um Nnanji bildeten. Es war bestimmt ein halbes Dutzend von ihnen anwesend, denn Wallie war vielleicht das Aufregendste, das hier seit einem oder zwei Jahrhunderten passiert war. Jeder Vorwand war gut genug, um bei dem Schauspiel dabeizusein und sich daran zu erfreuen.
    »Darf ich es ziehen, mein Gebieter?« fragte Nnanji.
    Gemeint war sein Schwert, das das Interesse der Schwertkämpfer erregt hatte – sie umringten es wie Jungen einen ausländischen Sportwagen.
    »Aber sicher«, sagte Wallie schläfrig. Er vernahm bewunderndes Gemurmel, als die Gruppe die Klinge bestaunen durfte. Dann rezitierte Nnanji plötzlich in einem merkwürdigen Singsang:
    »Am Griff den Vogel Greif wir schauen, in Silberweiß und Saphir prahlend, Rubin die Augen, Gold die Klauen, der Klinge Stahl wie Sterne strahlend. Das Siebte Schwert, so fein geschmiedet, daß alle anderen es besieget.«
    »Was, um alles in der Welt, soll das denn?« fragte Wallie, der plötzlich wieder hellwach war und Badewasser über Sklaven und Fußboden schwappen ließ.
    »Das Lied eines Barden, mein Gebieter.« Nnanji sah ihm ins Gesicht und wartete gespannt auf seine Reaktion. »Es handelt von den Sieben Schwertern des Chioxin. Ich kann Euch alles über die ersten sechs erzählen, wenn Ihr wollt, aber es ist ein ziemlich langes Gedicht.«
    »Chioxin? Chioxin?« Ein Bild tauchte vor Wallies geistigem Auge auf – ein Stück einer Schwertklinge, an einer Wand aufgehängt, eine alte und schartige Klinge, an beiden Enden abgebrochen, doch mit Gravuren von Menschen und Monstern. Er strengte sich an, weitere Einzelheiten zu sehen, doch es war eine Shonsu-Erinnerung, ein Bruchstück an der Grenze

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