Der zögernde Schwertkämpfer
aussah, vermutete er – vorzeitig ergraut und eher wettergegerbt als faltig – und so vertrauenswürdig wie ein hungriger, tollwütiger Leopard. Während des anödenden Austauschs von Liebenswürdigkeiten, der Erkundigung nach dem Fortschritt der Heilung und anderen Belanglosigkeiten, schweifte sein Blick häufig ab zum Griff von Wallies Schwert.
Nnanji verlangte mit einer Handbewegung eine zweite Portion Eintopf. Tarru nahm einen Humpen Bier entgegen, und Wallie lehnte einen ab, obwohl es schwaches und damit verhältnismäßig harmloses Bier war. Wallie rechnete damit, daß Tarru, sobald die Konversationsfloskeln erschöpft wären, sich nach den Plänen seines Gastes erkundigen würde, deshalb kam er ihm mit einer Angelegenheit zuvor, die ihm selbst am Herzen lag.
»Es gibt eine Kleinigkeit, die mich beschäftigt«, sagte er. »Der Versuch des Exorzierens, den die Priester vor drei Tagen durchgeführt haben, hat mich in den Zustand der Bewußtlosigkeit versetzt. Als ich aufwachte, befand ich mich in einer Art Hütte, an der Straße durch die Schlucht gelegen.«
»Die Pilgerhütten«, sagte Tarru. »Ein Drache von einer Priesterin ist dafür zuständig.«
»Ich habe keinen Drachen gesehen. Statt dessen eine junge Sklavin, die sich um mich gekümmert hat … ihr Name war Jja. Ich habe Zuneigung zu ihr gefaßt.«
Tarru war voller Verachtung. »Pah! Nichts als Schlampen, mein Lord. Tagsüber schrubben sie Böden, abends schröpfen sie Pilger, Pferdehändler, wandernde Gaukler und gewöhnliche Seeleute – zum Nutzen von Kikarani, versteht sich. Wir haben jedoch einen sehr ordentlichen Stall von Huren in den Unterkünften der Wache …«
Wallie hörte ein merkwürdiges Geräusch und stellte erstaunt fest, daß er mit den Zähnen knirschte. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und sein Herz pochte wild vor Wut. Tarru war bleich geworden und hielt mitten im Satz inne.
»Ist eine Schlampe zu einem vernünftigen Preis wohlfeil?« flüsterte Wallie. Er fuhr mit zwei Fingern in die Tasche, die ihm als Börse diente, und ließ einen glitzernden blauen Stein auf den Tisch fallen. »Das reicht für eine Schlampe, möchte ich annehmen.«
Tarru schnappte hörbar nach Luft. »Mein Lord! Dafür könnt Ihr alle Sklavinnen Kikaranis kaufen und den Drachen selbst noch dazu!«
»Ich habe zufällig gerade kein Kleingeld«, sagte Wallie. Er wußte, daß er unvernünftig handelte, und er scherte sich einen Dreck darum. »Nnanji, kennst du diese Kikarani?«
»Ja, mein Gebieter«, sagte Nnanji mit weit aufgerissenen Augen.
»Dann begib dich jetzt sofort zu ihr. Biete ihr diesen Stein als Gegenleistung für den ausschließlichen Besitz der Sklavin Jja an. Bring das Mädchen hierher zurück, mit all ihren Habseligkeiten. Noch Fragen?«
»Sie wird vermuten, daß der Stein gestohlen ist, mein Gebieter.«
Wallie warf ihm einen Blick zu, der ihn veranlaßte, den Edelstein zu nehmen und zur Tür zu eilen. Doch nach ein paar Schritten drehte er sich blitzartig um und schritt statt dessen zum Ausgang auf der anderen Seite. Das gab ihm Gelegenheit, die ganze Länge des Raums zu durchmessen, was er mit hocherhobenem Haupt tat und die Blicke genoß, die ihn begleiteten.
»Sein Vater ist ein Teppichknüpfer«, sagte Tarru mit grenzenloser Verachtung. »Ihr werdet weder ihn noch das Mädchen wiedersehen, mein Lord.«
»Lieber opfere ich einen Edelstein, als daß ich mich der Gier von Dieben aussetze.« Wallies Blutdruck war immer noch hoch.
»Wie wahr«, sagte Tarru diplomatisch – aber er konnte die Sache noch nicht auf sich beruhen lassen. »Eine geringere Versuchung wäre klüger gewesen. Ich gehe zumindest jede Wette ein, daß der Stein zu Geld gemacht wird, bevor Kikarani ihn zu Gesicht bekommt, und Ihr werdet kein Wechselgeld zurückbekommen.«
Der Gedanke, Nnanji könnte unehrlich sein, erschien ihm vollkommen absurd. »Wette angenommen!« Ein weiterer Saphir fiel auf den Tisch, und Tarrus Augen wurden noch größer. »Ich nehme an, daß es in den Reihen der Tempelwache einige unverdächtige Spitzel gibt. Sie sollen meinem Schützling folgen. Wenn er den Stein zu Geld macht oder damit verschwindet, dann gehört dieser hier Euch.«
Er hatte Tarrus Habgier richtig eingeschätzt. Der Mann war wie hypnotisiert von dem blauen Stein auf dem Tisch. Er streckte die Hand danach aus und hielt auf halbem Wege inne. »Ich habe Eurem Einsatz nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen, mein Lord.«
Wallie dachte einen Moment lang nach.
Weitere Kostenlose Bücher