Der zögernde Schwertkämpfer
Schwert sofort um die ganze Länge von Wallies Arm folgen können. Wallie empfand fast so etwas wie Mitleid mit ihm, denn er war bestimmt ein stolzer Vertreter seiner Zunft in seinem feinsäuberlich gefältelten Kilt und dem mit Fett auf Hochglanz gebrachten Harnisch, doch jetzt war er sowohl der Gefahr als auch äußerster Lächerlichkeit ausgesetzt. Das Schweigen dauerte wahrscheinlich nur ein paar Sekunden, doch es schien wie eine Stunde, bis der Mann, der jetzt seinen Einsatz in diesem Schauspiel hatte, endlich aufwachte.
»Äh … ergebt Ihr Euch?« brachte Nnanji krächzend heraus.
Der Drittstufler starrte ungläubig auf Briu und den tödlichen Streifen Stahl, der ganz plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war. »Ich ergebe mich«, stimmte er sofort zu, wobei er ebenso entsetzt aussah wie sein Gegner.
Brius Arm schien dahinzuschmelzen, und seine Hand sank herunter. Die Schwertspitze war immer noch vor seinem Herzen, und er gehörte jetzt Wallie, bis hin zur vollkommenen Unterwerfung, wenn der Sieger es verlangte. Er mußte gehorchen oder sterben. Seine Augen drückten Angst und Scham aus.
»Sagt mir, Adept Briu«, sprach Wallie immer noch so laut, daß es alle Umstehenden hören konnten, »als Ihr Euren Schüler über den zweiten und dritten Eid belehrt habt, habt Ihr ihm da auch erklärt, daß der dritte nicht ohne Erlaubnis des Mentors abgelegt werden darf?«
Natürlich hätte Briu ja sagen können, aber niemand hätte ihm geglaubt – dieser Punkt war zu abwegig und hypothetisch. »Nein, mein Lord.« Seine Stimme war heiser.
»Dann ist der Fehler – sofern man davon sprechen kann – nicht dem Eleven Nnanji anzulasten, sondern der unzulänglichen Unterweisung, die er von seinem Mentor erhalten hat?«
Brius Lippen bewegten sich, doch kein Laut drang heraus. Dann schluckte er zweimal und sagte: »So hat es den Anschein, mein Lord.«
Wallie zog das Schwert ein winziges Stück zurück. »Ich glaube, das haben nicht alle gehört. Sprecht laut aus, daß Ihr Euch geirrt habt.«
»Lord Shonsu«, sagte Briu mit etwas kräftigerer Stimme, »ich sehe ein, daß ich es versäumt habe, meinen früheren Schützling, den Eleven Nnanji, auf die nötigen Vorkehrungen für das Ablegen des dritten Eides hinzuweisen, und falls der gestrige Vorgang einen Makel aufwies, dann lag der Fehler bei mir; er handelte guten Glaubens.«
»Dann hegt Ihr also keinerlei Groll mehr gegen den Eleven Nnanji oder mich in dieser Angelegenheit?«
»Nein, mein Lord.«
Wallie schob sein Schwert in die Scheide zum Zeichen seines Einverständnisses. »Ich widerrufe jede Beschuldigung der Feigheit, Adept Briu. Ihr habt durch die Herausforderung eines Siebentstuflers beispielhaften Mut an den Tag gelegt. Ich werde Euren Mentor beglückwünschen, wenn ich ihn das nächstemal sehe.«
»Ich danke Euch, mein Lord«, sagte der gedemütigte Viertstufler.
»So, können wir in unserer Eigenschaft als Gäste vielleicht jetzt unser Frühstück beenden?«
Wallie setzte sich und zog seine Schüssel wieder zu sich heran, ohne dem Rest der Anwesenden seine Aufmerksamkeit zu schenken. Nnanji tat es ihm zögernd gleich. Brius Begleiter legte diesem einen Arm um die Schulter und geleitete ihn hinaus.
Doch die Sache war für Wallie noch nicht abgeschlossen. Er hatte gewußt, daß der Diebstahl eines Schützlings eine Herausforderung zur Folge haben würde, doch er hatte ehrlichen Gewissens damit gerechnet, daß die Herausforderung an ihn gerichtet sein würde, denn das wäre nur gerecht gewesen. Offenbar hatte er die Auffassung der Schwertkämpfer falsch eingeschätzt. Die Sutras erkannten Nötigung nicht als Entschuldigung an – ein bekräftigter Eid war bindend, keine Gefahr entschuldigte einen Bruch. Also war für sie Nnanji der Schuldige, nicht er. Eine gnadenlose Einstellung, aber er hätte es wissen müssen.
Das Problem lag in der Schattenzone zwischen seinem Shonsu-Bewußtsein und seinem Wallie-Bewußtsein. Du denkst nicht wie Shonsu, und das gefällt mir, hatte der Halbgott gesagt. Doch wenn er das Schwert führte, mußte er wie Shonsu denken. Es herrschten zwei unterschiedliche Regeln, Strategie von Wallie, Taktik von Shonsu, und es würde folgenschwere und weitreichende Probleme geben, wenn er diese beiden Dinge häufiger durcheinanderbringen würde. Es zählte mehr im Dasein eines Schwertkämpfers als handwerkliche Kunstfertigkeit und eine Liste von Sutras – Werte zum Beispiel.
Überall im Saal wurden flüsternd Gespräche geführt. Nnanji
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