Der zögernde Schwertkämpfer
»Wenn ich gewinne, erbitte ich lediglich eine kleine Gefälligkeit von Euch, nichts, das mit Eurer Ehre nicht zu vereinbaren wäre. Hier, Ihr verwaltet den Einsatz.« Tarru nahm den Edelstein auf und starrte ihn an. Er war mißtrauisch, doch das blaue Feuer verbrannte seine Handfläche. Er erhob sich und eilte aus dem Raum.
Wallie nahm einen Schluck Bier und wartete, daß sich seine Wut legen würde. Diesmal hatten Shonsus Drüsen die Oberhand gewonnen. In einer entspannten Situation, in der die Regeln der Schwertkämpferzunft ohne Belang waren, hatte seine Wachsamkeit nachgelassen, und dieses aufbrausende Temperament war durchgebrochen, ehe er sich’s versehen hatte. Das hatte dazu geführt, daß er den Eindruck eines unverantwortlichen Verschwenders und Spielers gemacht hatte, und ihn veranlaßt, das Geld, das zur Deckung der Unkosten gedacht war, für eine persönliche Laune hinauszuwerfen, obwohl er nicht einmal wußte, für welchen Zweck ihm der Edelstein gegeben worden war – ein unguter Anfang seiner Mission. Dann wurde ihm bewußt, daß er genausogut das Todesurteil für seinen Vasallen hätte unterschreiben können. Er stand halb auf, dann sank er auf seinen Sitz zurück. Es war zu spät, um die Wette rückgängig zu machen oder den Edelstein zurückzuverlangen. Betrübt sagte er sich, daß Tarru als einziger Zeuge jedenfalls den Stein nicht auf seinen Befehl hin stehlen lassen könnte, ohne sich selbst verdächtig zu machen.
Das hoffte er wenigstens, doch sein Scherz vom Morgen, daß er Nnanji rächen müßte, erschien ihm nun überhaupt nicht mehr komisch.
Dann kehrte Tarru zurück, diesmal in Begleitung eines großen und kräftig gebauten Siebentstuflers, dessen Gesichtsmarkierung Schwerter waren, jedoch umgekehrte. Das azurblaue Gewand des Mannes war makellos und sein dünnes weißes Haar ordentlich gekämmt, doch seine Hände waren schwielig und geschwärzt, und selbst die rötliche Haut seines Gesichts schien mit kleinen schwarzen Flecken gesprenkelt zu sein. Er war älter als Shonsu, doch kein Schwertkämpfer, also war er der erste, der vorgestellt wurde und seinen Gruß entbot – Athinalani, Waffenmeister der Siebten Stufe.
Er ließ Wallie kaum Zeit für eine Erwiderung, und er verzichtete auf die üblichen Höflichkeitsfloskeln. »Das muß es sein!« sagte er. »Das Siebte Schwert des Chioxin! Mein Lord, ich bitte Euch, es in Augenschein nehmen zu dürfen.«
Wallie legte das Schwert auf den Tisch. Athinalani betrachtete es eingehend, jede kleinste Linie und jedes Zeichen. Tarru und Wallie tranken Bier, solang die Prüfung andauerte. Athinalani drehte das Schwert um und unterzog die andere Seite der gleichen gründlichen Untersuchung. Als er fertig war, sah er zutiefst berührt aus.
»Es ist das Saphirschwert des Chioxin«, sagte er. »Daran kann kein Zweifel bestehen. Der Vogel Greif am Schaft, die Darstellungen auf der Klinge … die hochwertige Qualität. Niemand anderes als Chioxin konnte so etwas schaffen. Als mir das Gerücht darüber zu Ohren kam, war ich überzeugt, daß es sich um eine Fälschung handeln müsse, doch nachdem ich es gesehen habe, hege ich nicht mehr den geringsten Zweifel. Mein Lord, darf ich es anheben?«
Seine großen Hände befühlten es liebevoll, prüften die Biegsamkeit und das Gewicht und die Ausgewogenheit. Hier, das war eindeutig, handelte es sich um einen Fachmann. Dann legte er es wieder aus der Hand und sah seinen Besitzer fragend an.
Wallie zuckte mit den Schultern. »Klärt mich auf.«
Athinalani war mit taktvoller Zurückhaltung erstaunt über seine Unwissenheit. »Chioxin«, sagte er, »war der größte Schwertschmied aller Zeiten. Viele seiner Waffen sind noch immer in Gebrauch, nach siebenhundert Jahren, und es werden die höchsten Preise dafür gezahlt. Seinem handwerklichen Können kam nur sein hohes künstlerisches Niveau gleich. Seine Schwerter waren nicht nur die besten, sie waren auch die schönsten. Die Linien, mit denen diese Figuren dargestellt sind … seht nur hier, und hier!
Nun, nach der Überlieferung bestand sein größtes Meisterwerk in sieben Schwertern, die er in hohem Alter anfertigte. Die Barden singen davon, daß er der Göttin sieben zusätzliche Lebensjahre abgehandelt hat, indem er versprach, diese Waffen zu fertigen. Vielleicht stimmt das. Doch jedes Schwert hatte ein anderes Wappentier am Schaft, und jedes war mit einem großen Edelstein am Griff verziert – Perle, Beryll, Achat, Topas, Rubin, Smaragd und Saphir.
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