Der zögernde Schwertkämpfer
eine ziemlich ausführliche Geschichte, und ich möchte Euch nicht über Gebühr langweilen …«
Offenbar wurde er im Augenblick dem Charakter Lord Shonsus nicht gerecht, denn er erntete einen erstaunten Blick, gefolgt von einem höflichen, doch verblüfften Lächeln.
»Verzeiht, Eure Heiligkeit«, sagte er. »Ich sollte nicht über so geheiligte Angelegenheiten scherzen. Das bringt mir nur Scherereien ein. Aber ich habe mich wirklich mit einem Gott unterhalten, und unter anderem sagte er zu mir: Honakura ist ein guter Mensch – ihm kannst du trauen. Deshalb möchte ich Euch die ganze Geschichte erzählen, wenn ich darf, um Euren weisen Rat zu empfangen.«
Der Alte blickte ihn schweigend an, und plötzlich rannen ihm Tränen über die Wangen. Es dauerte ein paar Minuten, bis er selbst es merkte, dann wischte er sich mit dem Ärmel über die Augen. »Ich bitte Euch um Verzeihung, mein Lord«, murmelte er. »Es ist viele Jahre her, daß ein Höhergestellter mich um Rat gefragt hat, und ich habe verlernt, damit umzugehen. Ich bitte Euch, vergebt mir.«
Nun fühlte sich Wallie angespornt zu sagen: »Dann werde ich Euch die ganze Geschichte erzählen.«
Einen Moment lang überlegte er sich, wie uralt der Priester wirklich sein mochte – bestimmt dreimal Shonsus Alter. Doch Honakura hatte nichts Seniles an sich. Er war ein schlauer Fuchs mit messerscharfem Verstand und offenbar eine Autorität innerhalb des Tempels, und wahrscheinlich kannte er keine Skrupel, wenn es um etwas ging, das er für eine gute Sache hielt. Jetzt kuschelte er sich in seinen großen Sessel wie eine Biene, die sich in einer Trompetenblume verkriecht. Wallie erzählte ihm die ganze Geschichte, einschließlich der ersten beiden Gespräche mit dem Gott. Honakura beobachtete ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, und nur ein schwaches Kräuseln der Lippen zeigte, daß er überhaupt noch am Leben war. Am Ende schloß er die Augen und murmelte offenbar ein Gebet vor sich hin, dann schniefte er kurz und sagte: »Ich stehe in Eurer Schuld, Lord Shonsu … oder Walliesmith. Eure Erzählung klingt in meinen Ohren wundervoller, als ich es Euch schildern kann. Ich habe mein Leben lang gehofft, einmal Zeuge eines Wunders zu werden – eines echten, aus Stein gemeißelten Wunders! Und jetzt, nach all den Jahren …«
»Da ist noch etwas«, beeilte sich Wallie zu sagen. »Als ich den Gott über Wunder befragte, beschied er mir, daß ich Euch vertrauen und bitten solle, mir die Anekdote aus dem siebzehnten Sutra zu erzählen.«
Honakura hatte der ganzen außergewöhnlichen Erzählung mit unbewegter Miene gelauscht, doch bei dieser Bemerkung zuckte er überrascht zusammen … dann folgte ein schnell unterdrücktes Stirnrunzeln. Wallie erinnerte sich, daß der Gott geheimnisvoll gelächelt hatte, als er diese Anweisung gab.
»Aha!« sagte der Priester. »Nun … ich gehe davon aus, daß die Sutras der Schwertkämpfer sich nicht allzusehr von unseren unterscheiden – die meisten enthalten eine kleine Begebenheit, die dem Gedächtnis hilft. Die Episode in unserem siebzehnten Sutra betrifft Ikondorina. Unter den gegebenen Umständen werde ich sie euch selbstverständlich erzählen.
Ikondorina war ein großer Held, der zur Göttin ging, um Ihr sein Schwert zu opfern, und dabei schwor, daß er eher Ihren Wundern vertraute als seiner sterblichen Kraft. Seine Feinde folgten ihm bis auf einen hohen Felsen, und die Göttin verwandelte ihn in einen Vogel. Dann verfolgten ihn seine Feinde bis zu einem Fluß, und die Göttin verwandelte ihn in einen Fisch. Beim dritten Mal kämpften seine Feinde in einem direkten Nahkampf gegen ihn und besiegten ihn, und als seine Seele vor die Göttin kam, fragte er, warum Sie ihn beim dritten Mal nicht gerettet habe. Und Sie gab ihm sein Schwert zurück und wies ihn an, selbst Wunder zu vollbringen. Also kehrte er auf die Welt zurück, schlachtete seine Feinde ab und wurde wieder zum großen Helden. Seht Ihr, wie gut diese Geschichte zu Eurem eigenen Fall paßt?« Er lächelte hoffnungsvoll.
Wallie hingegen nicht. »Ist das alles?«
»Das ist die ganze Anekdote«, antwortete Honakura bedächtig.
»Und was könnt Ihr mir sonst noch über diesen Ikondorina erzählen?«
Der Gesichtsausdruck des Alten war sehr beherrscht. »Er wird namentlich in einigen anderen Sutras erwähnt, doch es gibt außer dieser keine Erzählungen direkt über ihn.« Er wußte etwas, das er nicht aussprach. Der Gott hatte ihm eine Botschaft zukommen lassen,
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