Der zögernde Schwertkämpfer
glauben wir, daß die meisten Edelsteine vom Feuer geformt und vom Wasser verteilt werden.«
»Tatsächlich?« Der Priester fand das interessant. »Das wäre eine Erklärung. Normalerweise nimmt er die Gestalt eines kleinen Jungen an. Ein Juwelensucher, der einen begehrten Stein findet, pflegt zu sagen: ›Der Gott hat einen Zahn für mich verloren.«
Wallie lachte und leerte sein Weinglas. »Das gefällt mir. Es ist wie die Sache mit der Nachtigall. Ihr seid ein poetisches Volk, Heiligkeit. Könnt Ihr mir erklären, was es mit dem belaubten Zweig des Gottes auf sich hat?«
Honakura schnaubte und senkte die Stimme. »Der dient nur dem dramatischen Effekt, nehme ich an. Götter haben auch ihre kleinen Eitelkeiten. Ich glaube kaum, daß er einen Mnemonik nötig hat?«
»Einen was?«
Der Alte seufzte und schüttelte den Kopf. »Ihr seid wirklich unbeleckt wie ein Neugeborenes, mein Lord. Ich möchte keinesfalls die Weisheit der Göttin anzweifeln, doch ich frage mich, wie Sie erwarten kann, daß Ihr überlebt, da Ihr anscheinend überhaupt nichts wißt! Einen Mnemonik – eine Gedächtnisstütze. Gibt es in Eurer Traumwelt keine öffentlichen Redner? Sie nehmen sich einen Zweig und markieren sich jedes Blatt mit einem Zeichen, das sie jeweils an einen Punkt erinnert, auf den sie eingehen möchten, und jedesmal, wenn sie ein Thema behandelt haben, reißen sie das entsprechende Blatt ab. Das ist sehr wirkungsvoll, wenn es gut gemacht wird. Was sonst benutzt Ihr, wenn Ihr Euch zum Beispiel ein langes Sutra einprägen wollt?«
»Wir haben andere Geräte, Heiligkeit. Aber um auf Jja zurückzukommen … wie stellt man es an, eine Sklavin zu befreien?«
Über diese Äußerung war Honakura noch erstaunter als über alles andere, was er gehört hatte. »Eine Sklavin befreien? Das tut man nicht.«
»Wollt Ihr damit sagen, ein Sklave bleibt sein Leben lang ein Sklave?« fragte Wallie fassungslos. »Es gibt keinen Ausweg?«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Ein Sklave wird bei der Geburt gezeichnet. Wenn er in diesem Leben gut dient, kommt er vielleicht das nächstemal auf einer höheren Stufe zur Welt. Ihr hattet also die Absicht, dieses Mädchen zu befreien? «
Wallie hatte inzwischen dem alten Mann schon so viel anvertraut, daß er jetzt kaum noch einen Rückzieher machen konnte. Also berichtete er ihm, wie er die Beherrschung verloren hatte.
»Wenn ich überhaupt einen Gedanken im Kopf gehabt habe«, sagte er, »dann dachte ich daran, daß ich dieses Mädchen kaufen und befreien würde. Sie war sehr gut zu mir«, brauste er auf, »und sie hat mir das Leben gerettet, als die Priesterin auf der Jagd nach mir war.«
»Und außerdem war sie eine verdammt gute Gespielin im Bett, was?« fragte der Priester und kicherte laut. »Nein, macht mir nichts vor, Schwertkämpfer! Ich habe sie gesehen. Wenn sie eine Freie wäre, würde sie als Brautpreis viele Edelsteine erzielen, aber Ihr habt sie gekauft, und sie ist Eure Sklavin. Ihr könnt sie verschenken, Ihr könnt sie verkaufen, Ihr könnt sie töten, aber Ihr könnt sie nicht befreien. Ja, wenn es Euch Vergnügen bereitet, sie mit rotglühendem Eisen zu verbrennen, wird Euch niemand daran hindern, außer vielleicht die Göttin oder ein stärkerer Schwertkämpfer, falls er sein Ehrempfinden dadurch verletzt sieht. Was kaum der Fall sein dürfte. Ihr solltet begreifen, Walliesmith, daß ein Schwertkämpfer der Siebten Stufe so ziemlich alles tun kann, was ihm beliebt. Doch auch er kann aus einer Sklavin keine freie Dame machen, und er kann sie nicht heiraten. Außer natürlich, er zieht es vor, selbst zum Sklaven zu werden.«
Wallie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich vermute, Ihr haltet das für ein weiteres Wunder?«
Der Priester nickte gedankenverloren. »Könnte sein. Die Handlung, mit der sie Euch in der Hütte beschützt hat, war sehr ungewöhnlich. Die Göttin hat sicher eine Reisebegleitung für Euch ausgewählt, und dieses Mädchen spielt möglicherweise eine kleine Rolle, abgesehen davon, daß sie Euch lustvolle Betätigung bietet. Schätzt die Lust niemals zu gering, sie ist das Unterpfand für die Sterblichkeit.« Sein Erstaunen hatte sich noch immer nicht gelegt. »In Eurer Traumwelt kann man Sklaven befreien?«
»Dort, wo ich herkomme, haben wir keine Sklaven«, entgegnete Wallie aufgebracht. »Wir betrachten den Besitz von Sklaven als Verbrechen.«
»Dann werdet Ihr sie zur Versteigerung geben?« fragte der Priester schmunzelnd. »Ich glaube
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