Der zögernde Schwertkämpfer
innerhalb der Wache vertrauenswürdig ist, und verschwinde dann vielleicht über Nacht, ohne Vorankündigung.«
Der Alte strahlte – ein gebrechliches Vögelchen in einem Weidenkäfig.
»In der Zwischenzeit, glaube ich«, fuhr Wallie fort, »halte ich mich mit dem Rücken immer schön zur Wand, vermeide finstere Gassen, nehme von niemandem etwas zu essen an und schlafe bei verriegelter Tür. Ja?«
Honakura rieb sich die Hände vor Vergnügen. »Ganz ausgezeichnet, mein Lord!« Offensichtlich hatte er Wallie lediglich für einen muskelbepackten Draufgänger mit schnellem Reaktionsvermögen gehalten und stellte jetzt mit Befriedigung fest, daß dieser Schwertkämpfer Vorsicht nicht als Feigheit ansah. »Es ist noch etwas länger als zwei Wochen bis zum Tag der Schwertkämpfer. Ich hatte gehofft, das übliche Spektakel noch dadurch zu bereichern, daß ich Euch als neuen Obersten Anführer präsentiere. Da es dazu nun nicht kommen wird, sollten wir vielleicht eine besondere Segnung Eurer Mission ankündigen? Damit wärt Ihr fürs erste sicher – wie Ihr sagt, die Gefahr wird auftreten, wenn Ihr versucht wegzugehen.«
Er zögerte etwas und fügte dann hinzu: »Wenn Ihr mir vergeben mögt, daß ich mir eine Beurteilung anmaße, Lord Shonsu, so möchte ich Euch sagen, daß es ein ganz besonderes Vergnügen ist, einen Schwertkämpfer kennenzulernen, dem es nichts ausmacht, unkonventionell zu handeln. Ich weiß nicht, welchen Gegner sich die Göttin für Euch ausgedacht hat, aber ich glaube, er wird sehr überrascht sein.« Er kicherte.
Wallie hatte sich auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen und auf seine bruchstückhaften Kenntnisse der Sutras – die meistens dem gesunden Menschenverstand entsprachen –, und geschickte Kampftaktik sollte eigentlich zu seinem Geschäft gehören, deshalb fand er die Überraschung des Priesters etwas beleidigend, wenn auch andererseits erheiternd. Ihr denkt nicht wie Shonsu …
»Ich habe einen Neffen, der Heilkundiger ist«, sagte Honakura, »und man kann sich auf seine Verschwiegenheit verlassen. Er wird Eure Genesung so lange wie möglich hinauszögern.«
»Ich werde ihn nach Tagen bezahlen«, versicherte ihm Wallie feierlich und wurde mit einem lauten, hemmungslosen Gähnen des Alten belohnt. »Aber sagt mir doch, Heiligkeit, wenn die Göttin bisher schon soviel Aufhebens von mir gemacht hat, wird Sie mir dann nicht auch beistehen, wenn ich in Gefahr bin?«
Sofort war das kumpelhafte Verhalten des Priesters verschwunden. Er ermahnte den Schwertkämpfer mit wackelndem Finger: »Ihr habt die Belehrung über Wunder also nicht begriffen. Von Euch als erfahrenem Schwertkämpfer wird erwartet, daß Ihr die Kampfstrategie meisterhaft beherrscht. Versetzt Euch einmal in Ihre Lage. Ihr habt Euren besten Mann aufgeboten, und er hat versagt – katastrophal, sagt Ihr. Was bedeutet das?«
Wallie unterdrückte eine wütende Entgegnung. »Da ich die Aufgabe nicht kenne, kann ich das nicht erraten. Vielleicht hat Shonsu ein Heer eingebüßt? Oder Land an den Feind verloren – wer oder was immer der Feind sein mag.«
»Im einen wie im anderen Fall«, sagte der Priester, »würdet Ihr nicht wollen, daß es allzuoft passiert, nicht wahr? Also, was tut Ihr? Ihr schickt den nächsten Mann los, und wenn er versagt, wieder den nächsten? Natürlich verfügen die Götter über einen unendlichen Fundus …«
»Ihr habt recht, Heiligkeit«, sagte Wallie einsichtig.
Darauf hätte er selbst kommen können. »Man nimmt also den nächsten Mann und bildet ihn so gut aus, daß er besser als der erste ist.«
»Oder zumindest stellt man ihn auf die Probe«, stimmte der Priester zu. »Und wenn er es nicht einmal schafft, aus dem Tempel zu fliehen …«
Er brauchte den Gedanken nicht zu Ende zu führen.
»Und selbst wenn er das schafft«, sagte Wallie düster, »dann muß er in der Zukunft womöglich noch weitere Prüfungen bestehen. Jetzt verstehe ich – keine Wunder.«
Er kam zu dem Schluß, daß Wunder leicht süchtig machen konnten.
Honakura hielt Wallie wieder die Platte mit den Kuchen hin und bot an, sein Glas nachzufüllen. Wallie lehnte beides ab, aus Angst, dieses üppige Leben könnte ihn bald so fett machen wie Hardduju. Er durfte nie vergessen, daß er jetzt ein professioneller Athlet war und fit bleiben mußte, da sein Leben davon abhing.
»Und Eure erste Aufgabe besteht eindeutig darin, Euch eine Schar von Gefolgsleuten zusammenzusuchen«, sagte Honakura und lehnte sich in
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