Der zögernde Schwertkämpfer
nichts zu wissen.« Dies war ein schlimmer Nachmittag für ihn – zuerst seine stümperhaften Fechtversuche und jetzt das –, doch Wallie konnte es sich nicht leisten, gnädig zu sein.
Er dachte nach, während sein Finger über die Schwertklinge fuhr. Das Problem mit Nnanji war, daß er zu ehrlich war. Es hätte einer kleinen menschlichen Unzulänglichkeit bedurft, gerade soviel, um die Drähte und die Drahtzieher zu kennen. »Wenn wir uns einen Mann aussuchen und ihn bitten sollten, eine Wache für uns zusammenzustellen, wer wäre der Richtige?«
»Briu«, sagte Nnanji und errötete unter dem überraschten Blick, den er dafür erntete. »Von ihm habe ich mein Schwert bekommen, mein Gebieter!«
»Von wegen von ihm!« entgegnete Wallie. »Doch gut für ihn – und gut von dir, daß du ihn darum gebeten hast. Nun, er hat keine Veranlassung, mich zu lieben, doch ich denke, wir könnten an ihn herantreten.«
Nnanji krümmte sich noch mehr. »Sein Mentor ist Meister Trasingji, mein Gebieter.«
Das war das Äußerste einer negativen Kritik, zu der sich Nnanji je würde hinreißen lassen, und sie enthielt eine Warnung. Selbst Briu war nicht sicher.
Wallie stöhnte. »Das wußte ich nicht. Wie zum Teufel kommen wir dann hier heraus? Ich brauche deinen Rat, Nnanji. Erinnerst du dich an Farranulu?«
Nnanji grinste.
»# 106 ÜBER DIE FLUCHT
Epitome
Wenn es die Ehre gestattet, kämpft ein kluger Krieger auf einem von ihm gewählten Terrain. Ob im Einzelkampf zu Hause oder mit einem Heer im Felde, kennt er zumindest zwei Fluchtwege, und in den meisten Fällen wird er auch für einen Ort Vorsorge getroffen haben, an dem er sich verbergen kann.
Episode
Als Farranulus Frau sich beschwerte, daß es wegen des geöffneten Fensters so kalt in ihrem Schlafzimmer sei, beschied er ihr, daß es ihr noch viel kälter werden würde, wenn er nicht mehr ihr Bett teilte.
Epigramm
Wenn der Tod gegenwärtig ist, sind die Klugen fern.
»Wir könnten uns leise hinausschleichen, ein paar Maultiere besteigen und es einfach wagen?« schlug Nnanji vor, dem jedes hinterhältige Denken fremd war.
»Am Tor sind Wachen postiert«, sagte Wallie. »Er wird Befehle erteilt haben; er wird es wissen, wenn wir uns davonmachen. Er wird uns verfolgen lassen, oder die Kunde von unserem Kommen wird uns vorauseilen. Vielleicht ist bereits ein Hinterhalt vorbereitet. Hast du beobachtet, wie er dieses Schwert angafft?
Gibt es noch ein anderes Tor?« fragte er. »Irgendwo an den Enden der Mauer?«
»Es gibt nur ein Tor«, sagte Nnanji düster. »Und die Mauern enden im Fluß.«
Wieder diese sonderbare Abneigung, ins Wasser zu gehen! Das mußte ein sehr strenges Verbot sein, und doch benutzten sie Boote. Aber auch auf der Erde erlaubten zum Beispiel viele Religionen, ihre Tempel barfuß zu betreten, während Schuhe verboten waren. Religionen brauchten nicht logisch zu sein.
Nnanji saß da und furchte tiefsinnig die Stirn, doch es kam nichts dabei heraus. Er war mit seiner Weisheit am Ende.
Wallie hatte einen noch undeutlichen Plan, den er nicht aussprach. Wenn er Tarru allein erwischen würde, könnte er ihn zwingen, ihm den Bluteid zu leisten, wie er Nnanji gezwungen hatte, denn es bestand kein Zweifel daran, wer der bessere Schwertkämpfer war. Dann konnte er veranlassen, daß der amtierende Oberste Anführer seine Schützlinge zu sich rief, einen nach dem anderen, um ihnen zu befehlen, ebenfalls den Eid abzulegen. Theoretisch konnte er sich die ganze Wache zu Vasallen machen, von oben bis unten, Perlen und Pöbel gleichermaßen. Die Halunken würden immer Halunken bleiben und wären nach wie vor nicht vertrauenswürdig, doch die guten Männer würden sich an ihren Eid halten, und diese wären doch sicher in der Mehrzahl? Der Pferdefuß an diesem Plan war, daß Wallie Tarrus Gast war, und das Schwert gegen ihn zu ziehen bedeutete ein Vergehen. Nnanji würde vor Scham sterben, wenn er wüßte, daß sein Held eine solche Tat auch nur in Betracht zog.
»Pferde«, sagte Nnanji. »Es gibt nur ungefähr ein Dutzend im ganzen Tal, und sie gehören alle der Wache.« Er sah seinen Gebieter hoffnungsvoll an.
»Genial!« rief Wallie aus. »Teuflisch genial!«
Nnanji versuchte, bescheiden auszusehen, was ihm mißlang.
»Erzähle mir alles darüber!« verlangte Wallie.
Viel mehr gab es darüber nicht zu erzählen. Die Straße durch das Tal war so steil, daß die Handelswaren und landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf Ochsenkarren
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