Der Zorn der Götter
sie die Fluggastbrücke betrat. Sobald Kelly außer Sicht war, zückte die Frau ihr Handy und erledigte einen Anruf.
Kelly saß in der Maschine und dachte ständig an Mark, ohne wahrzunehmen, dass die meisten Männer und Frauen in der Kabine sie verstohlen anstarrten. Was hat Mark um Mitternacht auf der Aussichtsplattform des Eiffelturms gemacht? Mit wem wollte er sich dort treffen? Und warum? Eine Frage machte ihr vor allem zu schaffen: Warum sollte Mark Selbstmord begehen? Wir waren so glücklich. Wir haben einander so geliebt. Ich kann einfach nicht glauben, dass er sich umgebracht hat. Mark doch nicht … Er nicht … Er nicht. Sie schloss die Augen und gab sich ihren Erinnerungen hin …
Sie waren zum ersten Mal miteinander verabredet. Sie hatte an diesem Abend einen züchtigen schwarzen Rock und eine hochgeschlossene weiße Bluse angezogen, damit Mark nicht auf die Idee kam, sie wollte ihn in irgendeiner Weise in Versuchung führen. Sie hatte vor, lediglich ein paar angenehme, zwanglose Stunden mit ihm zu verbringen. Trotzdem stellte Kelly fest, dass sie nervös war. Wegen der unaussprechlichen Sache, die ihr als Kind widerfahren war, hatte Kelly keinerlei Umgang mit Männern gepflegt, es sei denn aus geschäftlichen Gründen oder bei den üblichen Wohltätigkeitsveranstaltungen.
Mark ist ja eigentlich auch kein Partner, sagte sich Kelly immer wieder. Wir beide werden nur Freunde werden. Er kann mich in der Stadt herumführen, ohne dass es zu irgendwelchen Zärtlichkeiten oder anderen Verwicklungen kommt. Während sie noch darüber nachdachte, klingelte es an der Tür.
Kelly atmete tief durch und öffnete. Draußen stand Mark, der sie anlächelte und eine Papiertüte und eine Schachtel in der Hand hielt. Er trug einen schlecht sitzenden grauen Anzug, ein grünes Hemd, eine leuchtend rote Krawatte und braune Schuhe. Kelly hätte beinahe laut gelacht. Marks völliger Mangel an Stilgefühl war geradezu liebenswert. Sie hatte Männer gekannt, deren ganzes Selbstbewusstsein daran hing, dass sie elegant auszusehen meinten.
»Kommen Sie rein«, sagte Kelly.
»Ich hoffe, ich komme nicht zu spät.«
»Nein, ganz und gar nicht.« Er war fünfundzwanzig Minuten zu früh dran.
Mark reichte Kelly die Schachtel. »Die ist für Sie.«
Die Schachtel enthielt zweieinhalb Kilogramm Pralinen. Im Lauf der Jahre hatte man Kelly alle möglichen Geschenke angeboten, seien es Diamanten, Pelze oder Penthousewohnungen, aber noch nie Pralinen. Genau das Richtige für ein Model, dachte sie belustigt.
Kelly lächelte. »Vielen Dank.«
Mark hielt ihr die Tüte hin. »Und das sind ein paar Leckereien für Angel.«
Wie auf ein Stichwort kam Angel angeflitzt und blieb mit wedelndem Schwanz vor Mark stehen.
Mark nahm Angel auf den Arm und kraulte sie. »Sie erinnert sich an mich.«
»Ich möchte mich noch mal für sie bedanken«, sagte Kelly. »Sie ist eine wunderbare Gefährtin. Ich hatte noch nie eine.«
Mark schaute Kelly an, und sein Blick sagte alles.
Der Abend verlief unerwartet angenehm. Mark war ein charmanter Begleiter, und Kelly fand seine offensichtliche Begeisterung darüber, dass er mit ihr zusammen war, geradezu rührend. Er war intelligent und ein guter Gesprächspartner, und die Zeit verging viel schneller, als Kelly gedacht hatte.
Als sich der Abend dem Ende zuneigte, sagte Mark: »Ich hoffe, wir können das mal wieder machen.«
»Ja. Von mir aus gern.«
»Was machen Sie am liebsten, Kelly?«
»Ich schaue mir gern Fußballspiele an. Mögen Sie Fußball?«
Mark wirkte einen Moment lang verblüfft. »Oh … äh … ja … sehr sogar.«
Er ist ein schlechter Lügner, dachte Kelly. Dann kam ihr ein hinterhältiger Gedanke. »Am Samstagnachmittag findet ein Pokalspiel statt. Hätten Sie Lust hinzugehen?«
Mark schluckte. »Klar, gern«, sagte er. Aber es klang alles andere als begeistert.
Als sie zu Kellys Apartmenthaus zurückkehrten, stellte Kelly fest, wie sie sich verkrampfte. Das war immer der kritische Augenblick.
Wie wär’s mit einem Gutenachtkuss? …
Darf ich noch auf ein letzten Glas mit reinkommen? …
Du willst doch die Nacht nicht etwa allein verbringen …
Dann das ständige Betatschen …
Als sie vor Kellys Wohnungstür standen, schaute Mark sie an und sagte: »Wissen Sie, was mir zuallererst an Ihnen aufgefallen ist, Kelly?«
Kelly hielt den Atem an. jetzt kommt es.
Du hast einen tollen Hintern …
Ich liebe deinen Busen …
Ich möchte deine langen Beine um meinen Hals
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