Der Zorn der Götter
landete, wurde Kelly bereits von Reportern erwartet, die sie im Nu mit ihren Kameras und Mikrofonen umringten.
»Kelly, können Sie mal hierher schauen?«
»Können Sie uns sagen, was Ihrer Meinung nach mit Ihrem Mann passiert ist?«
»Stellt die Polizei Ermittlungen an?«
»Hatten Sie und Ihr Mann vor, sich scheiden zu lassen?«
»Ziehen Sie wieder in die Vereinigten Staaten?«
»Wie war Ihnen zumute, als Sie erfahren haben, was passiert ist?«
Die dümmste aller Fragen.
Kelly sah einen freundlich und aufgeweckt wirkenden Mann, der sich im Hintergrund hielt. Er lächelte und winkte ihr zu, worauf sie ihm bedeutete, zu ihr zu kommen.
Ben Roberts war einer der beliebtesten und geachtetsten Talkmaster im amerikanischen Fernsehen. Er hatte Kelly vor einigen Jahren interviewt, und seither waren sie miteinander befreundet. Sie sah, wie Ben sich durch die Reporter drängte. Sie kannten ihn alle.
»Hey, Ben! Tritt Kelly in Ihrer Talkshow auf?«
»Glauben Sie, sie redet über den Vorfall?«
»Darf ich ein Foto von Ihnen und Kelly machen?«
Mittlerweile hatte sich Ben zu Kelly durchgekämpft. Die Reporterschar bedrängte sie. »Lasst sie erst mal in Ruhe, Jungs und Mädels. Ihr könnte später noch mit ihr reden.«
Widerwillig gaben die Reporter nach.
Ben ergriff Kellys Hand und sagte: »Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid mir das tut. Ich habe Mark sehr gemocht.«
»Das beruhte auf Gegenseitigkeit, Ben.«
Als Kelly und Ben zur Gepäckausgabe gingen, fragte er:
»Ganz im Vertrauen – was machst du in New York?«
»Ich besuche Tanner Kingsley.«
Ben nickte. »Er ist ein mächtiger Mann. Ich bin davon überzeugt, dass man sich gut um dich kümmern wird.«
Sie waren beim Gepäckschalter angekommen. »Kelly, wenn ich irgendetwas für dich tun kann, kannst du mich jederzeit im Sender erreichen.« Er blickte sich um. »Wirst du abgeholt? Wenn nicht, kann ich …«
In diesem Moment kam ein Chauffeur in Uniform auf Kelly zu. »Mrs. Harris? Ich bin Colin. Mr. Kingsley hat für Sie eine Suite im Peninsula Hotel reservieren lassen. Ich kümmere mich um Ihr Gepäck.«
Kelly wandte sich an Ben. »Rufst du mich an?«
»Natürlich.«
Zehn Minuten später war Kelly unterwegs zum Hotel. Als sie sich durch den dichten Verkehr schlängelten, sagte Colin:
»Mr. Kingsleys Sekretariat wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Der Wagen steht jederzeit zu Ihrer Verfügung.«
»Danke.« Was mache ich hier?, fragte sich Kelly.
Bald sollte sie eine Antwort darauf bekommen.
14
Tanner Kingsley las die Schlagzeile der Nachmittagszeitung: »Schwere Hagelschauer im Iran«. In dem Artikel war von einem »ungewöhnlichen Naturereignis« die Rede. Allein schon die Vorstellung, dass in einem heißen Land mitten im Sommer ein Hagelschauer niederging, war aberwitzig. Tanner rief seine Sekretärin zu sich. »Kathy«, sagte er, »schicken Sie eine Kopie dieses Artikels an Senatorin van Luven. Legen Sie eine Notiz bei: ›Neuigkeiten zur globalen Erwärmung. Mit freundlichen Grüßen‹ …«
»Wird sofort erledigt, Mr. Kingsley.«
Tanner Kingsley warf einen Blick auf seine Uhr. Die beiden Detectives sollten in einer halben Stunde eintreffen. Er sah sich in seinem eleganten Büro um. Er hatte all das hier aufgebaut. KIG. Er dachte an die Macht, die hinter diesen drei Buchstaben steckte. Die Leute würden sich wundern, wenn sie wüssten, wie bescheiden die KIG einst angefangen hatte. Erst sieben Jahre war das her. Seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit …
Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als er das neue Firmenlogo für KIG entworfen hatte. Ziemlich protzig für eine kleine Klitsche, hatte jemand gesagt, aber Tanner hatte diese kleine Klitsche eigenhändig zu einem Unternehmen von Weltrang aufgebaut. Wenn Tanner an die Anfänge dachte, schien es ihm, als habe er ein Wunder vollbracht.
Tanner Kingsley war fünf Jahre nach seinem Bruder Andrew zur Welt gekommen, und das hatte seinen ganzen Werdegang geprägt. Ihre Eltern waren geschieden, die Mutter hatte wieder geheiratet und war weggezogen. Ihr Vater war Wissenschaftler, und die beiden Söhne waren in seine Fußstapfen getreten und hatten sich zu wahren Wunderkindern gemausert. Mit vierzig Jahren starb der Vater an einem Herzanfall.
Dass er fünf Jahre jünger war als sein Bruder, blieb für Tanner ein stetes Ärgernis. Als er beim Studium der Naturwissenschaften als Bester seines Semesters abschloss, erklärte man ihm: »Andrew war vor
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