Der Zorn der Götter
Plasmabildschirmen gesäumt, auf denen Liveübertragungen aus aller Welt liefen – Aufnahmen aus Konferenzzimmern, Büros und Laboratorien, aber auch aus Hotelzimmern, in denen Besprechungen stattfanden. Jeder Bildschirm verfügte über integrierte Lautsprecher, die so leise gestellt waren, dass man lediglich Satzfetzen in einem Dutzend verschiedener Sprachen hörte.
Anhand von Einblendungen konnte man erkennen, aus welcher Stadt die jeweiligen Bilder eingespielt wurden: Mailand … Johannesburg … Zürich … Madrid … Athen. An der hinteren Wand stand ein Bücherregal mit acht übereinander angebrachten Borden voller dicker, in Leder gebundener Bände.
Tanner Kingsley saß hinter einem Mahagonischreibtisch, auf dem sich eine Konsole mit einem halben Dutzend bunter Knöpfe und Tasten befand. Er trug einen eleganten, maßgeschneiderten grauen Anzug, ein hellblaues Hemd und eine blau karierte Krawatte.
Tanner erhob sich, als die beiden Detectives hereinkamen.
»Guten Morgen, meine Herren.«
»Guten Morgen«, sagte Earl Greenburg. »Wir …«
»Ja, ich weiß, wer Sie sind. Die Detectives Earl Greenburg und Robert Praegitzer.« Er schüttelte ihnen die Hand. »Nehmen Sie bitte Platz.«
Die beiden Polizisten setzten sich.
Praegitzer starrte auf die rasch wechselnden Bilder aus aller Welt, die auf den zahllosen Bildschirmen zu sehen waren. Bewundernd schüttelte er den Kopf. »Das ist ja die modernste Technik, die es heutzutage …«
Tanner hob die Hand. »Das hier ist nicht die Technik von heute. Diese Technologie wird frühestens in zwei, drei Jahren auf dem Markt sein. Damit können wir gleichzeitig Telekonferenzen in einem Dutzend verschiedener Länder verfolgen. Die Informationen, die von unseren Niederlassungen in aller Welt eingehen, werden von diesen Computern automatisch geordnet und erfasst.«
»Mr. Kingsley, entschuldigen Sie bitte, wenn ich eine einfache Frage stelle. Was genau macht eine Denkfabrik?«
»Grundsätzlich? Wir lösen Probleme. Das heißt, wir überlegen uns Lösungen für Probleme, die sich in Zukunft stellen könnten. Manche Menschen meinen, Denkfabriken konzentrieren sich nur auf ein bestimmtes Gebiet – seien es militärische, wirtschaftliche oder politische Fragen. Wir hingegen befassen uns mit der nationalen Sicherheit, mit Kommunikationstechnik, Mikrobiologie, Umweltthemen. Die KIG ist ein unabhängiges Unternehmen, das für diverse Regierungen Analysen und Beurteilungen der globalen Langzeitfolgen ihrer Politik anfertigt.«
»Interessant«, sagte Praegitzer.
»Fünfundachtzig Prozent unserer Mitarbeiter sind Akademiker, und mehr als sechzig Prozent haben einen Doktortitel.«
»Sehr eindrucksvoll.«
»Mein Bruder Andrew hat die Kingsley International Group gegründet, um Entwicklungshilfe für Länder der Dritten Welt zu leisten. Deshalb sind wir dort hauptsächlich mit Aufbauprojekten beschäftigt.«
Über einen der Bildschirme zuckte mit einem Mal ein greller Blitz, gefolgt von einem Donnergrollen. Alle drehten sich um und schauten hin.
»Habe ich nicht irgendwo gelesen, dass Sie Experimente mit dem Wetter anstellen?«, fragte Detective Greenburg.
Tanner verzog das Gesicht. »Ja, das wird hier bei uns als Kingsleys Groschengrab bezeichnet. Einer der wenigen großen Fehlschläge, die der KIG jemals unterlaufen sind. Es war ein Projekt, von dem wir uns sehr viel versprochen haben. Stattdessen stellen wir es jetzt ein.«
»Kann man denn das Wetter beeinflussen?«, fragte Praegitzer.
Tanner schüttelte den Kopf. »Nur in einem begrenzten Ausmaß. Viele Menschen haben es versucht. Vor etwa hundert Jahren experimentierte der Physiker Nikola Tesla mit dem Wetter. Er fand heraus, dass man die Ionisierung der Atmosphäre durch Radiowellen verändern kann. Im Jahr 1958 veranstaltete das Verteidigungsministerium Experimente mit Kupferspänen, die man in der Ionosphäre abwarf. Zehn Jahre später kam es dann zum Projekt Popeye, bei dem die Regierung versuchte, die Monsunsaison zu verlängern, um den Ho-Chi-minh-Pfad durch Unmengen von Schlamm unpassierbar zu machen. Man verwendete Silberjodid als Katalysator und jagte es in den Himmel, um die Wolken damit anzureichern, worauf sich Eispartikel bildeten, die schließlich den Niederschlag auslösten.«
»Hat es geklappt?«
»Ja, aber nur in begrenztem Umfang. Es gibt mehrere Gründe dafür, weshalb man das Wetter niemals gänzlich wird beeinflussen können. Eines der Probleme ist die durch El Nino bewirkte Erwärmung des
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