Der Zorn der Götter
Haltung wirkte wie die einer Prinzessin aus einem exotischen Land.
Tanner stand auf. »Guten Abend.«
Sie ergriff seine Hand. »Guten Abend.« Sie strahlte eine Selbstsicherheit aus, die geradezu erhaben wirkte.
Als sie Platz genommen hatten, sagte sie: »Fangen wir noch mal von vorne an, ja? Ich habe keine Schwester.«
Tanner blickte sie entgeistert an. »Aber Sie haben doch gesagt …?«
Sie lächelte. »Ich wollte nur sehen, wie Sie reagieren, Tanner. Ich habe von ein paar Freundinnen allerhand Interessantes über Sie gehört.«
Redete sie etwa über Sex? Er fragte sich, mit wem sie gesprochen hatte. Es hätten so viele sein können …
»Nur keine voreiligen Schlüsse. Ich spreche nicht von Ihren Qualitäten als Mann. Ich spreche von Ihren Fähigkeiten auf geistigem Gebiet.«
Es war, als ob sie seine Gedanken lesen könnte. »Sie … äh … interessieren sich also für geistige Fähigkeiten?«
»Unter anderem«, erwiderte sie kokett.
Das wird ein leichter Homerun. Tanner streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand. »Sie sind wirklich etwas Besonderes.« Er streichelte ihren Arm. »Etwas ganz Besonderes. Wir beide werden uns heute Nacht prächtig amüsieren.«
Sie lächelte. »Sind Sie etwa spitz, mein Lieber?«
Tanner war einen Moment lang über ihre unverblümte Art verblüfft. Sie war wirklich ein scharfes kleines Ding. Er nickte. »Immer, Prinzessin.«
Sie lächelte. »Gut. Holen Sie Ihr kleines schwarzes Buch raus, dann wollen wir doch mal sehen, ob wir jemanden finden, der heute Nacht für Sie zur Verfügung steht.«
Tanner erstarrte. Er war es gewöhnt, seine Späße über Frauen zu machen, aber bislang hatte sich noch keine über ihn lustig gemacht. Er starrte sie an. »Was soll das heißen?«
»Dass wir an Ihren Sprüchen ein bisschen feilen müssen, mein Lieber. Sind Sie sich darüber im Klaren, wie abgedroschen die sind?«
Tanner spürte, dass er rot anlief. »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sprüche mache?«
Sie schaute ihm in die Augen. »Die wurden wahrscheinlich schon in grauer Vorzeit erfunden. Wenn Sie mit mir reden, möchte ich, dass Sie Sachen sagen, die Sie noch nie zu einer Frau gesagt haben.«
Tanner schaute sie an und versuchte, sich seine Wut nicht anmerken zu lassen.
Was glaubt die eigentlich, mit wem sie es zu tun hat – mit einem Oberschüler?
Verdammt noch mal, sie war einfach unverschämt. Erster Wurf. Die Braut ist draußen.
15
Der Hauptsitz der Kingsley International Group befand sich im Süden von Manhattan, zwei Häuserblocks vom East River entfernt. Das eingezäunte und elektronisch überwachte Firmengelände umfasste rund zwei Hektar Grund und Boden, auf dem vier große Betonbauten und zwei kleine Häuser für das Personal standen.
Um zehn Uhr morgens betraten Earl Greenburg und Robert Praegitzer das weitläufige, moderne Foyer des Hauptgebäudes, das mit Sofas, Tischen und einem halben Dutzend Sesseln ausgestattet war.
Detective Greenburg warf einen Blick auf die diversen Zeitschriften, die auf einem Tisch lagen: Virtual Reality, Nuclear and Radiological Terrorism, Robotics World … Er nahm eine Ausgabe der Genetic Engineering News zur Hand und wandte sich an Praegitzer. »Reicht es nicht schon, dass du die Dinger immer beim Zahnarzt lesen musst?«
Praegitzer grinste. »Doch.«
Die beiden Polizisten wandten sich an die Empfangsdame und wiesen sich aus. »Wir haben einen Termin mit Mr. Tanner Kingsley.«
»Er erwartet Sie. Ich rufe jemanden, der Sie zu seinem Büro bringt.« Sie gab jedem von ihnen einen KIG-Besucherausweis. »Geben Sie die bitte wieder ab, wenn Sie gehen.«
»Selbstverständlich.«
Die Empfangsdame drückte auf einem Summer, und kurz darauf tauchte eine attraktive junge Frau auf.
»Die Herren haben einen Termin mit Mr. Tanner Kingsley.«
»Ja. Ich bin Retra Tyler, eine von Mr. Kingsleys Assistentinnen. Folgen Sie mir bitte.«
Die beiden Detectives gingen einen langen, schmucklosen Korridor entlang, vorbei an einer Reihe geschlossener Türen. Am Ende des Ganges lag Tanners Büro.
Im Vorzimmer erwartete sie Kathy Ordonez, Tanners aufgeweckte junge Sekretärin, die an ihrem Schreibtisch saß.
»Guten Morgen, meine Herren. Sie dürfen gleich hineingehen.«
Sie stand auf und öffnete die Tür zu Tanners Büro. Als die beiden Polizisten eintraten, blieben sie stehen und sahen sich beeindruckt um.
Das riesige Büro war mit allerlei geheimnisvollen elektronischen Geräten voll gestopft, und die schalldichten Wände waren von
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