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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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schwachen Duft des Seifenwassers. Die hässlichen Wundränder. Die langen Wimpern seiner geschlossenen Augen.
    Er ist ein anderer für mich geworden, dachte sie. Nicht mehr der fremde Prinz aus dem kalten Wlachkis, den mein Vater als Gast beherbergt hat. Nicht mehr mein einziger Freund in diesem barbarischen Land.
    Unsicher atmete sie tief ein, als sie erkannte, dass sie beide im Begriff waren, eine Grenze zu überschreiten, die bislang immer zwischen ihnen bestanden hatte.

    Ionnis musste dasselbe gedacht haben, denn er hob eine Hand und umschloss vorsichtig die Finger ihrer Linken. Langsam führte er ihre Hand zu seinem Mund und küsste sie. Artaynis ließ den Schwamm sinken. Sacht zog er sie zu sich hinunter, und sie gab nach, ließ sich neben ihm auf dem Bett nieder.
    Er öffnete die dunklen Augen und sah sie lächelnd an. Wassertropfen liefen über sein Gesicht, perlten auf seine Brust. Sie strich die Tropfen fort, und er folgte ihren Fingern mit den Lippen. Sie war ihm so nah, dass sein Atem warm über ihre Haut strich. Schließlich beugte er sich vor, und küsste sie auf die Lippen. Sein Mund war warm. Weich.
    Sie umarmten sich, und die Küsse wurden länger und forschender. Doch als sie ihre Hand in seinen Nacken legte, stöhnte er auf und zuckte unwillkürlich zurück. Artaynis öffnete die Augen.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Ionnis grinste verlegen.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte sie besorgt.
    Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Lebendig«, murmelte er. »Ich fühle mich lebendig.« Er ließ seine Lippen langsam ihren Hals hinabwandern.
    Sie schloss die Augen, genoss das Gefühl, ihm so nahe zu sein. Doch dann rückte sie abrupt ein Stück von ihm ab.
    »Was ist, wenn jemand hereinkommt und dich dabei erwischt, wie du die Tugend deiner Gäste gefährdest?«
    »Ich glaube nicht, dass ich schon unter diesen Verdacht geraten könnte, obwohl ich gern ein bisschen gefährlicher für deine Tugend wäre«, erwiderte Ionnis einigermaßen kläglich. »Aber momentan ist selbst die Durchquerung des Zimmers noch eine ziemliche Herausforderung.«
    Sie lachte. Dann legte sie ihren Kopf auf seine Schulter. »Wenn es dir wieder besser geht, werden wir hoffentlich noch reichlich Zeit für uns haben.«

    Er nickte gedankenverloren. Er weiß es genauso gut wie ich, dachte Artaynis. Schließlich ist er kein Dummkopf. Zeit ist ein rares Gut für uns. Der Tag konnte nicht mehr allzu fern sein, an dem ihr Vater sie nach Dyrien zurückrief.
    Aber heute bin ich hier, ermahnte sie sich selbst. Bei ihm.
    »Soll ich uns etwas zu essen holen?«, fragte sie, bemüht, die Stimmung nicht schwermütig werden zu lassen. »Vermutlich wird mich niemand aufhalten, wenn ich in die Küche schleiche – wohingegen bei deinem Anblick ja angeblich die Köche in Panik verfallen.«
    Grinsend fragte Ionnis: »Hat mein Vater etwa angefangen, dich mit Geschichten über meine früheren Missetaten zu erfreuen?«
    Sie winkte ab. »Nein, das hat Natiole mir erzählt, bevor er aufgebrochen ist.«
    Mit gerunzelter Stirn sah er sie an: »Du hast mit Natiole über mich gesprochen?«
    »Ja, warum auch nicht? Dein Bruder kann sogar ganz freundlich sein, wenn er sich nicht gerade bemüht, möglichst unausstehlich zu wirken.«
    Aus irgendeinem Grund schien Ionnis diese Ansicht nicht zu erfreuen, aber sie beschloss, nicht weiter darauf zu achten.
    Heute bin ich hier, wiederholte sie in Gedanken, bevor sie das Zimmer verließ.

31
    Einige Augenblicke standen sie sich schweigend gegenüber, dann lächelte Denyxer Skleron. Ein schelmisches Lächeln, das gar nicht zu dem großen, hageren Mann mit den asketischen Zügen zu passen schien. Aber Kamros hatte bereits beim Festmahl gemerkt, dass Denyxer zwar asketisch wirken mochte, wohl aber einen von Agdele gesegneten Appetit besaß.
    »Du bist ein gefährlicher Mann.«
    Bescheiden schlug Kamros die Augen nieder, lächelte dann jedoch und blickte wieder auf. Einige Herzschläge lang hielt er Denyxers Blick gefangen, bevor er antwortete: »Wir sind alle gefährliche Männer. Deswegen sind wir hier.«
    Sein Gegenüber mochte es vielleicht als einen Hinweis auf ihr konspiratives Treffen verstehen, aber eigentlich meinte Kamros mehr als nur die Besucher des Palastes seines Schwiegervaters; er sprach von Colchas und seinen Mächtigen, vom Herzen des Imperiums.
    »Die Skleron werden dein Anliegen unterstützen.«
    Mit diesen Worten wandte sich Denyxer ab und ließ sich von den Sklaven hinaus auf den Platz vor dem Palast

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