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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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seinem Willen verspürte Cornel fast Mitleid mit dem Söldner.
    Ionnis eröffnete das Gespräch, und die fremden Laute kamen so schnell über seine Lippen, dass Cornel nicht einmal die Worte auseinanderhalten konnte. Der Sylke gab einsilbige Antworten, die der Sonnenpriester schon so oft gehört hatte, dass er sie beinahe verstand.
    Ja, sie stammten aus dem Imperium. Ja, sie waren Flores gefolgt. Ja, sie hatten sie und den Marczeg aus dem Hinterhalt überfallen, ehe sie nach Teremi kamen. Nein, sie waren nie in der Feste der Stadt gewesen. Ja, sie hatten ihren Auftraggeber getroffen. Ja, er war einmal in Begleitung bei ihnen im Lager erschienen. Nein, der Sylke kannte keine Namen. Ja, er konnte beide beschreiben.
    Aber die Beschreibung war wertlos. Zwei Männer, der eine etwas größer als der andere, in einfachen, grauen Tuniken. Dunkle Haare, kein Bart. Keine Narben, nichts, woran man sie hätte erkennen können. Hunderte von Männern, auf die diese Beschreibung passte, lebten allein in Teremi. Und es war nicht einmal sicher, dass der Auftraggeber und sein Begleiter aus Teremi kamen.
    »Wie immer das Gleiche«, erklärte Ionnis müde. »Der Mann mit dem Beutel voller Gold und sein Untergebener, der Freche. Er meint, dass sie eben wie Wlachaken aussahen.«
    Cornel seufzte. Sein Schädel schmerzte wieder einmal. Zu wenig Schlaf oder zu viele Sorgen oder einfach beides. Er musste noch die Andacht für morgen vorbereiten, und diese Fragen schienen ihm mit einem Mal alle sinnlos zu sein.

    »Der Mann mit dem Gold und der Freche«, wiederholte er. Sie hatten das schon zu oft gehört. »Zwei Wlachaken. Gold und Frech.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Murmeln. »Der Mann mit dem Beutel voller Gold gab ihnen die Befehle. Und sein Begleiter, der Freche …« Plötzlich stockte Cornel. »Frech – warum frech?«
    Mit schnellen Worten fragte Ionnis den Sylken. Der Gefangene richtete sich ein wenig auf, hob den Arm und schnippte mit den Fingern. Cornel schüttelte verwirrt den Kopf, während Ionnis weiter fragte. Als der Sylke antwortete, übersetzte der junge Prinz schnell: »Der Freche hat oft mit den Fingern geschnippt. Für die Sylken ist das … eine Beleidigung. Es bedeutet … dass man sagt … der andere habe keine Eier.«
    Erstaunt blickte Cornel von Ionnis zu dem Sylken und wieder zurück. »Warum haben wir das nicht vorher gefragt?«
    »Weil es nicht wichtig erschien? Weil niemand daran gedacht hat? Was soll es uns bringen?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Cornel, aber eine Unruhe ergriff Besitz von ihm. Es war, als läge ihm ein Wort auf der Zunge, das sich jedoch seinem Zugriff entzog. Irgendein Gedanke tanzte gerade außerhalb seines Bewusstseins, erkennbar, aber nicht zu deuten. Seine Müdigkeit verflog, und sein Geist raste.
    »Haben wir noch Fragen?«, sagte Ionnis.
    »Was? Äh, nein. Ich nicht. Gehen wir?«
    Als sie den Raum verließen, drehte der Gefangene sich wieder auf seiner Matratze um, das Gesicht zur Wand.
    Cornel erinnerte sich wieder an Tamár Békésars Leib, der in der Kapelle aufgebahrt gelegen hatte. An die Wunden des Marczegs und an Flores, die man in den Bergen einfach verscharrt hatte. Die Sylken waren Mörder, Söldlinge, die für Geld töteten. Keiner von ihnen verdiente sein Mitleid.

    Als sie in den Hof traten, hatten sich tatsächlich die ersten feuchten Flocken Schnee unter den Regen gemischt. Ein Trupp vermummter Soldaten schritt über den Hof. Sie lösten die Wache am Tor ab. Es gab offenbar einen kurzen Wortwechsel. Die Soldaten, deren Dienst endete, lachten gutmütig über die Neuankömmlinge, wiesen auf den Himmel und grinsten. Eine der neuen Wachen hob die Hand und schnippte in das Gesicht eines Gehenden.
    Cornel erstarrte mitten auf dem Hof, den Blick unverwandt auf den Soldaten gerichtet. Ihm war, als sei ein Blitz in seine Glieder gefahren und habe seinen dunklen Verstand erleuchtet.

54
    Er wartete. Selten war er geduldig genug, um länger an einem Ort zu bleiben, aber jetzt machte es ihm nichts aus. Von seinem ursprünglichen Plan, direkt zur Oberfläche zu wandern, war er abgekommen. Er konnte nicht sagen, warum. Seine Schritte hatten ihn einfach in eine andere Richtung geführt, aber er wusste, dass er an der richtigen Stelle war. Er konnte es im Herzschlag des Landes spüren, und er vertraute diesem Instinkt. Er hatte auf dem Weg gejagt, Flechten gesammelt und war dorthin gegangen, wo er sein sollte.
    Er war dem letzten Tunnel nicht bis zum Ende gefolgt. Selten kam er

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