Der Zorn des Highlanders
Pferd zum Galopp antrieb.
Leargan überging die Drohung und lenkte sein Pferd neben Camerons. »Ich glaube nicht, dass du sie erwischt. Dein Hengst ist der schnellste im Lager, und die Mädchen scheinen recht begabte Reiterinnen zu sein.«
»Sie kennen die Gegend nicht, wissen nicht, wohin sie reiten sollen.«
»Vielleicht nicht, aber sie müssen nur außer Reichweite bleiben und sich verstecken.«
Genau das befürchtete auch Cameron. Wenn die Mädchen kein bestimmtes Ziel hatten, gab es keine Möglichkeit herauszufinden, wohin sie ritten. Das bedeutete, er würde sich bald darauf beschränken müssen, ihrer Spur zu folgen – was Zeit kostete und also ihnen zum Vorteil gereichte. Noch schlimmer war, dass sie es seiner Vermutung nach wahrscheinlich sehr gut verstanden, ihre Spur zu verwischen. Die Murray-Mädchen hatten bereits zur Genüge bewiesen, dass sie mehr Fähigkeiten besaßen als andere wohlerzogene Mädchen. Allerdings war er entschlossen, sich nicht von zwei dürren Gören den Schneid abkaufen zu lassen, selbst wenn er ihnen bis unmittelbar vor die Tore von Donncoill nachreiten musste.
Erst gegen Mittag fühlte sich Avery sicher genug, um eine Pause einzulegen. Sie und Gillyanne glitten vom Pferd. Beide stöhnten leise. Das kleine Wäldchen, das sie gefunden hatten, war immerhin ein guter Rastort. Schattig, kühl, mit einem kleinen Bach und viel frischem Grass für das Pferd. Gillyanne half ihr, den Hengst trocken zu reiben, zu tränken und anzubinden. Dann ließen sich beide unter einen Baum fallen. Es dauerte eine Weile, bis sie die Kraft hatten, die Satteltaschen nach Essbarem zu durchsuchen. Zu Averys Freude fanden sie auch Camerons Landkarte. Avery betrachtete sie, während sie und ihre Cousine Haferfladen aßen und etwas Wein nippten.
»Es ist schwer, festzustellen, wohin wir gehen müssen, wenn wir nicht wissen, wo wir sind«, murmelte Gillyanne, die sich gegen den dicken Baumstamm sinken ließ und die Augen schloss.
»Stimmt, aber sobald wir herausgefunden haben, wo wir sind, wird uns dies hier von großem Nutzen sein.« Avery entspannte sich neben ihrer Cousine.
»Glaubst du, dass Cameron uns lange verfolgen wird?«
»Länger, als uns vielleicht lieb ist. Er ist ein sturer Bock.«
»Und wir haben sein Pferd gestohlen.«
Avery schmunzelte. »Ja, das haben wir. Trotzdem wird er uns wohl in erster Linie verfolgen, weil er es nicht verdauen kann, von zwei kleinen Mädchen besiegt zu werden.«
Gillyanne nickte. »Das ist ein schwerer Schlag für einen stolzen Mann.«
»Und Cameron ist ein besonders stolzer Mann.«
»Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass du so schnell bereit warst zu fliehen.«
»Nicht wirklich schnell«, seufzte Avery. »Ich habe gezögert. Dann hat er mir so einen Blick geschenkt.«
»Was für einem Blick?«
»Diesen hochmütigen Ich-weiß-dass-ich-gewinne- Blick. Da habe ich ihn aus seinem Gesicht getreten.«
Sie lächelte schwach, als Gillyanne kicherte. »Es ist also alles seine eigene Schuld. Hätte er nicht so verdammt selbstbewusst dreingeschaut, würde ich wahrscheinlich noch immer dasitzen und versuchen, mich selbst zur Flucht zu überreden. Ein Teil von mir wollte genau dort bleiben, in seiner Nähe. Ich konnte nur daran denken, dass ich nach meiner Flucht diesen Mann vielleicht niemals wieder sehen würde.«
»Sprich nicht so schlecht von dir selbst.« Gillyanne tätschelte Averys Hand. »Bedenkt man deine Gefühle für diesen Mann, ist es nur natürlich, dass du ihn nicht verlassen willst, zumal für immer. Payton würde das verstehen.«
»Ja, das würde er, aber ich weiß nicht so recht, ob das meine Schuldgefühle sonderlich beruhigt. Es ist eine Sünde, aber am meisten bedauere ich, dass ich nicht wenigstens einmal nachgegeben habe.«
»Mir würde es ebenso gehen.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Eine so heftige Leidenschaft ist selten. Das wissen wir von unseren Eltern. Und von Elspeth. Wir sehnen uns alle danach, nach dieser Leidenschaft und Liebe. Wir wollen das erfahren, was unsere Eltern kennen. Du hast eine Möglichkeit dazu gesehen.« Gillyanne zwinkerte Avery zu. »Versuche einfach, dich damit zu trösten, dass Cameron schuld daran ist, wenn du nicht genau weißt, ob diese heftige Leidenschaft der Beginn einer großen Liebe ist.«
»Ich habe es gespürt«, flüsterte Avery und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. »Und ja, es ist alles seine Schuld. Und die seiner Schwester. Vielleicht ist es wirklich das Beste, dass wir geflohen
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