Der Zorn des Highlanders
und Gillyanne rasch und gründlich ab und zogen ihnen warme, trockene Kleider an. Ein nach wie vor schweigsamer Cameron hob Avery neben Gillyanne in den Trosswagen und bedeckte beide Mädchen mit einem schweren Fell. Avery hörte, wie Donald etwas sagte, und gewann die Überzeugung, dass der Junge sich erholen würde und dass er augenscheinlich sehr viel kräftiger war, als er wirkte.
»Ich muss mich nicht ausruhen«, protestierte Gillyanne, als Cameron sie zudeckte.
»Ihr seid da, um Eurer törichten Cousine zu helfen, wieder warm zu werden«, raunzte Cameron.
Avery schaffte es, ihre Augen weit genug zu öffnen, um zu sehen, wie Gillyanne dem weggehenden Cameron eine Grimasse schnitt, und ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Mir ist ein bisschen kalt, Gillyanne.«
Gillyanne drehte sich mit dem Rücken zu ihr und forderte sie auf: »Dann schling deine dünnen Arme um mich. Das wird dir helfen. Dieser schlecht gelaunte Rüpel, für den du so schwärmst, hat mit seinem Rat ausnahmsweise einmal recht. Du fühlst dich allerdings nicht sehr kalt an«, murmelte sie, als Avery sich eng an sie drückte.
»Innerlich schon. Anne hat meine Haut so stark abgerieben, dass ich außen richtiggehend brenne.«
»Sie wollte dein Blut wieder zum Fließen bringen.«
»Oh. Na gut, es fließt wieder, aber es fühlt sich eiskalt an, genauso wie meine Knochen. Aber Donald klingt erholt.«
»Ja. Vermutlich setzt manchen Leuten die Kälte nicht so zu wie anderen. Oder er hat so wild um sich geschlagen, dass er sich warm gehalten hat.«
Obwohl Avery sich nun etwas wärmer fühlte, war sie restlos erschöpft und wusste, dass sie bald einschlafen würde. »Ich frage mich, warum Cameron so verärgert ist.«
»Wenn ich so denken würde wie du, würde ich sagen, weil seine Geisel fast ertrunken ist. Aber weil ich viel klüger bin als du, glaube ich, weil er beinahe seine Geliebte verloren hätte. Ich bin sicher, dass er in diesem Augenblick nicht eine Sekunde an seine Schwester gedacht hat. Er ist wütend, weil du dich in so große Gefahr gebracht hast, und vielleicht auch, weil er nichts unternehmen konnte, um Donald selbst zu helfen. Männer sehen nicht gerne hilflos dabei zu, wie Mädchen zur Rettung herbeieilen.«
»Viele Leute können nicht schwimmen«, murmelte Avery, die zu müde war, um Einwände gegen Gillyannes vorlaute Antwort zu erheben.
Gillyanne nickte, dann gähnte sie. »Ich glaube, mein kurzes Schwimmen hat mich am Ende doch etwas ermüdet.«
»Wenn das eine List sein sollte, um mich zum Schlafen zu bewegen, musst du dich nicht anstrengen, ich schlafe bereits.«
Einen Augenblick später warf Gillyanne einen Blick über die Schulter und stellte fest, dass Avery fest eingeschlafen war. Vermutlich war ihre Cousine kaum länger wach geblieben als bis zu ihrem Satzende. Gerade als sie sich abwenden und selbst ein kurzes Nickerchen machen wollte, kam Cameron herangeritten, streckte die Hand aus und strich leicht über Averys Wange.
Als er aufsah und Gillyannes Blick begegnete, fühlte er sich peinlich berührt. Immerhin war er bei etwas entdeckt worden, das eher als zärtliche, besorgte Geste denn als oberflächliche Anteilnahme gedeutet werden konnte. »Sie fühlt sich nicht mehr so tödlich kalt an.«
»Ja, obwohl sie behauptet, dass die Kälte tief innen sitzt.« Gillyanne drehte sich etwas um, damit sie bequemer mit ihm sprechen konnte.
»Wer hat Euch beigebracht, so gut zu schwimmen?«
»Verschiedene Familienmitglieder, die es bereits konnten. Unsere Väter können schwimmen und wollten, dass wir es ebenfalls lernen. Meine Mutter kann es auch. Sie hat einmal meinen Vater gerettet.« Gillyanne sah auf Avery hinunter, dann zurück zu Cameron und hoffte, ihrer Cousine eine spätere Belehrung zu ersparen, als sie sagte: »Sie wusste, dass sie Donald retten könnte. Da konnte sie doch nicht einfach dasitzen und zusehen, wie der Fluss ihn mitnimmt.«
Cameron stieß einen tiefen Seufzer aus und machte damit zum Teil auch seinem unterdrückten Zorn über Averys Wagemut Luft. »Nein, natürlich nicht. Wie könnte ein Murray-Mädchen etwas anderes tun, als sich in einen reißenden Fluss zu stürzen, um das Leben eines Jungen zu retten, den es kaum kennt.«
»Er war nicht reißend, sondern wegen des Schmelzwassers nur etwas schneller als normalerweise.«
»Ihr seid eine freche Göre, die nicht oft genug eine strenge Hand zu spüren bekommen hat.«
»Das habe ich schon häufiger gehört. Sogar mein eigener
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