Der Zorn des Highlanders
während sie das Seil um ihn schlang und dabei betete, dass ihre kalten Finger es schaffen würden, den Knoten fest genug zu binden. »Wenn ich ›fertig‹ rufe, atmest du so tief ein, wie du nur kannst, und hältst den Atem an. Es wird eine rasante Fahrt bis zum Ufer, und es wird dir helfen, wenn du den Atem anhältst. Verstanden?«
»Ja, Mylady«, flüsterte er.
»Und versuche, dich auf den Rücken fallen zu lassen, wenn du den ersten Zug am Seil spürst. Wenn du das schaffst, wird es einfacher für dich. Fertig!«
Avery war froh, als sie hörte, dass Donald gerade in dem Augenblick einen tiefen Atemzug machte, in dem er von den Ästen weggezerrt wurde. Er wurde in der Tat beeindruckend schnell durch die Stromschnellen zum Ufer gezogen. Sie krümmte ihre Finger, besorgt darüber, wie steif sie vor Kälte geworden waren, und wartete auf den nächsten Seilwurf. Aber ihre inzwischen taub gewordenen Hände weigerten sich, das Seil festzuhalten, und Averys Besorgnis verwandelte sich in Angst.
»Sie kann das Seil nicht halten«, bemerkte Gillyanne und zog sich ihre Stiefel aus.
»Beim nächsten Mal …«, begann Cameron und riss seine Augen auf, als Gillyanne ihr Kleid ablegte.
»Bis dahin werden ihre Finger noch kälter sein, noch ungeschickter.«
»Mädchen, Ihr wollt doch nicht da hineingehen und sie holen?«
»Genau das habe ich vor«, fuhr Gillyanne ihn an und zog sich bis auf ihr Unterkleid aus. »Ist dieses Seil lang genug, um mich festzubinden und auch noch ein Stück übrig zu lassen, damit ich Avery an mich fesseln kann?«
»Das kann ich nicht zulassen.«
»Ihr müsst. Keiner von Euch kann schwimmen, und wenn Averys Hände zu kalt sind, um das Seil zu halten, sind sie bald auch zu kalt, um sich damit weiter an dem Ast festzuhalten, an den sie sich jetzt klammert.«
Fluchend, weil er keine andere Wahl hatte und auch nicht die Zeit, sich etwas anderes auszudenken, band Cameron das Seil um Gillyannes schmale Taille. Er ließ dabei so viel übrig, wie sie seiner Meinung nach brauchte, um Avery an sich zu binden. »Wenn ich auch nur den Eindruck habe, dass Ihr in Gefahr seid, ziehe ich Euch zurück.«
»In Ordnung«, sagte Gillyanne und hechtete anmutig ins Wasser.
»Mein Gott«, knurrte Leargan, der eine Decke um den stark zitternden Donald legte. »Ich schätze, wir können auf die lange Liste ungewöhnlicher Fähigkeiten bei diesen Murray-Mädchen auch noch ›Schwimmen‹ setzen.« Er schüttelte den Kopf, als er zusah, wie Gillyanne mit sauberen, kräftigen Zügen durch das aufgewühlte Wasser auf Avery zupflügte. »Vielleicht sollte der eine oder andere von uns versuchen, es zu lernen.«
Cameron nickte nur, sein Blick war unverwandt auf Avery gerichtet, und seine Hände umschlossen fest das Seil. Er verstand, warum Avery Donald nachgesprungen war, fühlte sich zutiefst erleichtert, dass der Junge nicht ertrunken war, und zollte dem Mut der beiden Murray-Mädchen tiefen Respekt. Doch trotz allem, dachte er grimmig, würde er Avery erwürgen, wenn sie das überlebte.
»Gilly?«, flüsterte Avery, als ihre Cousine neben ihr auftauchte. »Du solltest dich nicht in solche Gefahr begeben.«
Diese legte das Seil um Averys Taille und schüttelte nur den Kopf. »Du auch nicht.«
»Das Wasser ist kälter, als ich dachte.«
»Vermutlich wird es von Schmelzwasser gespeist, du große Närrin. Fertig?«, fragte Gillyanne, als sie ihren Knoten noch einmal überprüft hatte.
»Ja.«
Avery hatte kaum Zeit zum Einatmen, als Gillyanne Cameron ein Zeichen gab. Im nächsten Moment lag sie in Gillyannes schlanken Armen auf dem Rücken, und sie rauschten mit erschreckender Geschwindigkeit quer durch das Wasser auf das Ufer zu. Als sie auf der Böschung auftrafen, stieß sie mit einem Ächzen den angehaltenen Atem aus.
Niemand sprach ein Wort, während die Männer sie und Gillyanne aus dem Wasser zogen und in Decken wickelten. Trotz der Kälte und ihrer völligen Erschöpfung, konnte Avery die Verärgerung Camerons spüren, der sie im Arm hielt, während sie zurück zu den anderen ritten. Eigentlich sollte er dankbar dafür sein, dass sie Donald das Leben gerettet hatte, dachte sie beleidigt, kam aber zu dem Schluss, dass es jetzt viel wichtiger war, wieder warm und trocken zu werden, als seine Launen zu verstehen. Wenn er sie anbrüllen wollte, musste er eben warten, bis sie sich ein wenig ausgeruht hatte.
Als man sie Annes Fürsorge übergab, schlief sie schon halb. Anne und die anderen Frauen trockneten sie
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