Der Zorn des Highlanders
kleine Gruppe«, fuhr Avery fort, »vielleicht ein halbes Dutzend und ein schwer beladener Wagen sowie ein paar von den einfachen Pferden. Eine Frau und Gillyanne.«
»Ich?«, quietschte Gillyanne, und im selben Moment sagte Cameron: »Nein.«
»Doch. Eine kleine Pilgergruppe wird das Interesse nicht lange auf sich ziehen. Aber ein Mädchen, das geschworen hat, den ganzen Weg bis zum Heiligen Schrein zu singen, wird sicher die Aufmerksamkeit aller Einwohner auf sich lenken.«
Wenn Gillyanne auf dem ganzen Weg durch die Stadt sang, dann würden wohl selbst die Männer auf dem Schiff nicht bemerken, dass die Leute an Bord schlüpften – daran zweifelte Cameron nicht. Es war das ideale Ablenkungsmanöver. Unglücklicherweise konnte es Gillyanne aber in große Gefahr bringen.
»Ich kann das Mädchen nicht diesem Risiko aussetzen.« Er bemühte sich, das enttäuschte Murmeln zu übergehen.
»Und ich kann nicht vor so vielen Leuten singen«, widersprach Gillyanne. »Und, um ehrlich zu sein, warum sollte das ihre Aufmerksamkeit so lange fesseln können?«
»Gilly, du weißt, dass du eine Stimme hast, die die Leute gerne hören«, versicherte ihr Avery. »Und die meisten haben so gut wie nie die Gelegenheit, einer ausgezeichneten Sängerin zu lauschen.«
Nun blickte sie Cameron an. »Ich glaube nicht, dass sich Gillyanne in größerer Gefahr befindet, als wenn sie – umringt von aufmerksamen DeVeau-Wachen – versucht, aufs Schiff zu kommen.«
Der folgende Wortwechsel dauerte nicht lange. Camerons einziges Bedenken war, dass er Gillyanne einer Gefahr aussetzte, aber Avery hatte recht. Gillyanne würde sich in ebenso großer, wenn nicht in größerer Gefahr befinden, wenn sie versuchte, unerkannt an Bord eines gut bewachten Schiffes zu schleichen. Cameron und die wenigen Männer, die er mit sich nehmen würde, konnten nicht alle Wachen DeVeaus ausschalten, und jedes zum Auslaufen bereite Schiff würde besonders scharf und aufmerksam bewacht werden. Widerstrebend stimmte Cameron dem Plan schließlich zu, allerdings unter der Voraussetzung, dass unter den »Pilgern« Männer waren, die kämpfen konnten, falls es notwendig werden sollte.
Avery half Anne, die ebenfalls als Pilgerin mitgehen sollte, und Gillyanne bei den Vorbereitungen. Es tat ihr ein bisschen leid, dass sie an diesem Abenteuer nicht teilnehmen konnte. Annes Mann Ranald und drei weitere bewaffnete Männer, die wegen ihres recht unauffälligen Aussehens ausgewählt worden waren, würden ebenfalls mitgehen. Donald sollte den kranken Jüngling spielen, für dessen Heilung die Wallfahrt unternommen wurde. Cameron und Leargan bepackten die Pferde und den Wagen mit allem, was sie tragen konnten. Das viele Gepäck der Pilger konnte leicht erklärt werden: Bußen, Ablässe und Segen waren nicht billig.
»Ich wünschte, ich hätte mir das nicht ausgedacht«, schimpfte Gillyanne, als Avery ihr das Haar hochsteckte.
»Es war eine Eingebung, Gilly«, sagte Avery.
»Ja, aber nur, weil du gerade vorschlagen wolltest, dich diesem Schwein einfach auszuliefern.«
»Woher weißt du das?« Avery musste zugeben, dass Gillyannes Wissen um die Gedanken anderer manchmal ziemlich beunruhigend sein konnte.
»Du hattest diese Es-ist-alles-meine-Schuld-Miene. Ich weiß, dass Cameron es nicht getan hätte, aber ich wollte nicht einmal eure Auseinandersetzung darum hören. Und was ist der Dank? Ich muss den ganzen Weg vor einer Horde von Fremden singen.«
»Herrje, Mädchen, das kann nicht schlimmer sein als das, was ich tun muss«, sagte Anne, als sie Gillyannes Kopfbedeckung feststeckte. »Ich muss mir das Lachen verbeißen, das mich beim bloßen Gedanken an meinen Mann im Priestergewand überkommt.«
»Er kennt ziemlich viele Sätze, die ein Priester sagen muss«, bemerkte Avery. »Gebete und Segenssprüche. Und er spricht Französisch, als wäre er hier geboren.«
Anne zuckte die Schultern. »Das ist halt so eine Gabe, die er hat. Ich kann beschwören, dass der Mann sich an jedes Wort erinnert, das er einmal gehört hat, und er ist ein ordentlicher Schauspieler. Allerdings wird es ihm ganz bestimmt Mühe bereiten, sich fromm zu stellen, diesem Schurken!« Sie lachte mit Gillyanne und Avery, straffte dann aber die Schultern und strich sich den Rock ihres braunen Kleides glatt. »Dann lasst uns losgehen. Je früher wir anfangen, desto schneller ist es vorbei.«
»Woher hat Ranald eigentlich all diese Priestersachen?«, wollte Avery wissen, aber Anne nahm einfach nur
Weitere Kostenlose Bücher