Der Zorn des Highlanders
um ihm Bericht zu erstatten. »Von den Pferden wird keines vermisst. Sie ist zu Fuß unterwegs.«
»Dann sollte sie leicht zu finden sein.« Cameron ging zu den Pferden, blieb aber stehen, als er bemerkte, dass Leargan ihm folgte. »Ich gehe allein.«
»Hältst du das wirklich für klug?«, fragte Leargan, während er Cameron half, sein Pferd zu satteln.
»Wer weiß das schon, aber ich möchte allein sein. Du kannst dafür sorgen, dass ihr auf der geplanten Reiseroute bleibt. Sobald ich das törichte Mädchen gefunden habe, komme ich nach und stoße wieder zu euch.«
»Warum lässt du sie nicht einfach laufen? Was für einen Unterschied macht das denn schon?«
»Wenn sie es schaffen sollte, irgendwelche Verwandten zu erreichen, wird sie ihnen sagen, dass jede Drohung, die ich vielleicht in Bezug auf Gillyanne mache, ignoriert werden kann.«
»Und wenn du sie findest und nach Cairnmoor bringst, wirst du ihr das Herz brechen.«
»Sie kannte von Anfang an meine Pläne«, gab Cameron kurz angebunden zurück und stieg auf. »Ich habe sie niemals belogen.«
»Vielleicht nicht mit Worten«, setzte Leargan zu einer Erklärung an, schüttelte dann aber den Kopf und trat vom Pferd zurück.
»Denke daran, Leargan: Von hier aus ist es ein harter Dreitagesritt nach Donncoill. Gott allein weiß, wie lange es dauert, wenn man zu Fuß geht. Ein kleines Mädchen, das tagelang allein unterwegs ist, befindet sich in sehr viel größerer Gefahr als in meiner Gegenwart. Jemand könnte sie finden und ihr sehr viel mehr antun, als ihr armes kleines Herz zu verletzen.«
Cameron spornte sein Pferd zum Galopp an. In der Hoffnung, dass Avery Kapitän MacMillans Anweisungen folgte, hielt er auf Donncoill zu. Als sie damals in Frankreich beinahe entkommen war, hatte sie den Weg zurück zum Lager ziemlich schnell gefunden und seine Leute rechtzeitig vor den DeVeau gewarnt. Also besaß sie offensichtlich einen gewissen Orientierungssinn. Doch selbst wenn sie auf dem richtigen Weg blieb, würde es nicht einfach sein, eine einzelne Frau in einer so unübersichtlichen Gegend zu finden. Sollte sie sich verirren, wäre es gar unmöglich.
Sie wollte nicht darauf warten und zusehen, wie Ihr alles kaputt macht.
Cameron ertappte sich dabei, wie er gegen seinen Willen über Gillyannes Worte nachdachte und zu verstehen begann, was sie damit gemeint hatte. Avery war keine verliebte Witwe, keine ehebrecherische Gattin oder erfahrene Hure. Sie war ein junges Mädchen von edler Herkunft. Eine solche Frau gab sich nicht einer oberflächlichen, flüchtigen Affäre hin. Und, dachte er und verzog das Gesicht, die meisten Affären enden, weil die Leidenschaft nachlässt, nicht weil der Liebhaber das Mädchen als Pfand einlöst, um seiner Schwester einen Mann zu beschaffen. Obwohl er sich mit Zynismus wappnete und alle Mühe gab, seine Gefühle streng zu bewachen, konnte er nicht leugnen, dass das, was Avery und er miteinander teilten, wunderschön war. Er verstand, dass sie nicht mit ansehen wollte, wie ihre Beziehung auf die von ihm geplante Weise endete. Er konnte nachvollziehen, dass eine romantisch gesinnte junge Frau davor floh.
Ich konnte dich nicht dazu bringen, mich so zu lieben, wie ich dich liebe. Wenn man jemanden liebt, sollte man doch auch von ihm geliebt werden.
Er fluchte, als er sich ihre im Fieber gesprochenen Worte ins Gedächtnis rief. Er hatte sie die meiste Zeit in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verdrängt, aber ab und zu waren sie hervorgeschlüpft und hatten ihn gepeinigt. Er sagte sich, dass es einfach eitel war, zu hoffen, diese Worte möchten wahr sein. Doch er schaffte es nicht, sich ihrem Reiz ganz zu entziehen. Ob Avery diese Worte wirklich ernst gemeint hatte? Ein unerfahrenes Mädchen konnte allzu leicht Leidenschaft mit Liebe verwechseln. Wenn Avery glaubte, dass sie ihn liebte, konnte er ziemlich gut verstehen, dass sie ihn lieber sofort verließ, als darauf zu warten, dass er sie abschob und ohne die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft wegschickte.
Der zynische Teil in ihm machte sich über seine Schlussfolgerungen lustig, belächelte seine Versuche, Averys Handlungen mit ihrer Liebe zu erklären. Denn es gab noch eine andere Erklärung für ihren Versuch, Donncoill zu erreichen. Sie wollte ihren Bruder retten. Avery wollte ihrer Familie mitteilen, dass sie seine Drohungen nicht ernst nehmen sollten, dass Payton Katherine nicht heiraten musste, weil sich Gillyanne nicht wirklich in Gefahr befand.
Das
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