Der Zorn Des Skorpions
vermuteten, dass dieser Mann auf einen Reifen ihres grünen Fords geschossen hatte und Theresa dann, nachdem der Wagen außer Kontrolle geraten und zu Schrott gefahren war, aus dem Wrack gezogen und irgendwohin verschleppt hatte, wo er sie gesund pflegte. Nur, um sie dann grausam und brutal an einen abgelegenen Ort im Wald zu treiben, sie an einen Baum zu binden und sterben zu lassen, nachdem er ihre Initialen in die Rinde geritzt hatte. Er hatte eine Botschaft hinterlassen, und zwar ihre in fetten Blockbuchstaben geschriebenen Initialen T K.
Alvarez betrachtete Theresas Gesicht auf dem Foto, das am Mordschauplatz aufgenommen worden war, weit entfernt vom Fundort ihres Fahrzeugs. Die übrigen Opfer hatte ein ähnliches Schicksal ereilt: Nina Salvadore, eine alleinerziehende Mutter aus Redding, Kalifornien, deren schrottreifer roter Ford Focus meilenweit entfernt von ihrer Leiche gefunden wurde. Die Botschaft am Tatort lautete:
T SK N.
Niemand, auch nicht Kryptologen oder FBI -Agenten im Besitz von Computerprogrammen zum Knacken von Kryptogrammen, verstanden die Aussage dieser Botschaften. Danach wurden in rascher Folge die Leichen von Mandy Ito und Diane Zander gefunden. Ein Nachrichtenteam entdeckte dann Donna Estes bei einer verlassenen Jagdhütte. Sie lebte noch und wurde ins Krankenhaus gebracht, wo sie wenig später starb. Sie vermuteten, dass der Mörder sich in Verkleidung tollkühn eingeschlichen und sie von den lebenserhaltenden Apparaten getrennt hatte. Donna hatte nicht aussagen oder den Täter identifizieren können, und die Überwachungskameras im Krankenhaus hatten keine brauchbare Aufnahme vom Täter gespeichert.
Es war einfach Pech.
Sämtliche Frauen waren allein durch diese Gegend der Bitterroot Mountains gefahren, als ihre Fahrzeuge angegriffen und sie vom Tatort zu einem Unterschlupf gebracht und gesund gepflegt wurden, nur um dann, wie vor ihnen bereits Kelper und Salvadore, in einer einsamen Gegend an einen Baum gefesselt und dem grausamen Tod durch Erfrieren ausgesetzt zu werden. Die Botschaften und Schnitzereien an den Mordschauplätzen unterschieden sich lediglich durch die Anzahl der Initialen und die Plazierung des jeweiligen Sterns, doch unterm Strich blieb es das Gleiche: Fünf Frauen waren tot, und seine aktuellste Botschaft lautete nun:
M ID T DE SK N Z.
Nachdem immer die Initialen des nächsten Opfers dem schon bestehenden Text hinzugefügt wurden, spekulierten das Büro des Sheriffs und das FBI mit den verschiedensten Ideen zur Bedeutung der Buchstaben. Einige meinten, sie neu mischen zu müssen, andere waren überzeugt, dass der Mörder sie nur an der Nase herumführte und die Initialen überhaupt keine Bedeutung hätten.
Doch tief im Inneren wussten sie alle, dass der Mörder, eine sehr gut organisierte, intelligente Person, ihnen nicht nur etwas mitteilen, sondern sie darüber hinaus überheblich wissen lassen wollte, dass er klüger war als sie. Falls seine Botschaft einen Sinn ergeben sollte, dann suchte er sich seine Opfer offenbar sorgfältig aus, bevor er sie seinem privaten emotionalen Spießrutenlauf aussetzte, den Autounfall provozierte, sie »rettete«, gesund pflegte und dann grausam und skrupellos in der Wildnis sterben ließ.
Er hatte keine von ihnen sexuell missbraucht. Das war sehr ungewöhnlich. Er wollte seine Opfer demnach nicht körperlich beherrschen, sondern vielmehr emotional.
Soweit die Polizei es wusste, stellte er den Frauen eine Falle und hätte sie gleich vor Ort töten können, durch einen Kopfschuss oder indem er sie im Autowrack zurückließ, doch er rettete sie, um sie dann allein zu lassen, in der Gewissheit, dass sie sterben würden.
Bisher hatte er sich nicht geirrt. Allerdings war der Mörder inzwischen, sofern die Polizei in Spokane und die Presse sich nicht täuschten, angeblich enttarnt und verhaftet … und
er
hatte sich als eine
sie
erwiesen. Aber das hielt sie für ausgeschlossen.
Alvarez trank einen Schluck von ihrem lauwarmen Tee, fand ein Hustenbonbon und lutschte es, während sie ihre Notizen zum zigsten Mal durchging. Mittlerweile war sie sicherer denn je, dass Regan Pescoli in der Klemme steckte.
Sie wählte noch einmal Lucky Pescolis Festnetznummer an. Dieses Mal meldete sich eine fröhliche Piepsstimme, die Stimme seiner Frau Michelle, die nahezu kichernd erklärte: »Hier ist der Anschluss von Lucky und Michelle. Wir sind im Augenblick nicht zu erreichen, aber Sie können eine Nachricht hinterlassen, und
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