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Der Zorn Des Skorpions

Der Zorn Des Skorpions

Titel: Der Zorn Des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
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normal auswiesen, hatte ihre Mutter ihr immer eingeflüstert, sie wäre klüger als die anderen, die sie grausam verspotteten, dass sie, die anderen, die sie »Blöde« nannten, zu bedauern wären.
    Doch die Sticheleien auf dem Schulhof trafen sie tief. Nach dem Unfall sprach Grace immer noch regelmäßig mit ihren verstorbenen Eltern und ihrer toten Schwester, was ihre Tante Barbara sehr ängstigte, und nachdem sie die ersten Welpen aufgenommen hatte – zwei Wölfe, deren Mutter einem Wilderer zum Opfer gefallen war –, häuften sich ihre Visionen. Wurden realer, deutlicher.
    Diese Schulhofrüpel hatten recht. Ihr Zustand
war
absonderlich.
    Jetzt folgte sie dem Weg bis zu ihrer Haustür und sah, dass sie halb offen stand. Im Haus war es kalt, denn die uralte Heizung war den arktischen Temperaturen nicht gewachsen, die der heulende Wind ins Haus trieb. Sie schloss die Tür hinter sich, schaltete das Licht an und schlüpfte aus ihren Stiefeln.
    Sie war überreizt. Kribbelig. Übernervös.
    Sie hängte ihren Mantel in den Garderobenschrank, warf ihren Morgenrock über und zog den Gürtel straff. Mit Kleinholz, das sie neben dem Kamin gestapelt hatte, zündete sie ein Feuer an, hockte sich auf ihre Fersen und sah zu, wie die Flammen Papier und trockenes Holz verzehrten. Als das Feuer aufzüngelte und knisternd und zischend Wärme versprach, rollte Sheena sich auf einem dicken Polster zusammen, das Grace genäht hatte.
    »Braves Mädchen«, sagte Grace und wärmte sich die Hände. Ihr Blick fiel auf die Uhr auf dem Kaminsims neben dem verblassenden, gerahmten Foto ihrer Familie. Es war Morgen, wenige Stunden vor Sonnenaufgang, und die Bilder von Regan Pescoli bedrängten sie immer noch.
    Das Feuer brannte hell. Goldene Schatten huschten durch den kleinen Wohnbereich des Hauses, in dem sie ihr ganzes Leben zugebracht hatte.
    »Eine Bürde«, vertraute sie Sheena an, die, den Kopf auf die Pfoten gelegt, Grace unverwandt ansah. Kein Wunder, dass sie so viel einstecken musste.
    Rod Larimer, der Eigentümer des »Bull and Bear«, einer Art Gasthof in der Stadt, hatte sie als »unsere dorfeigene Verrückte« bezeichnet. Und Bob Simms, der Jäger, der vor zwanzig Jahren die Wölfin erschossen hatte, sollte gesagt haben: »Ein total verrücktes Huhn. Absolut gaga. Gehört eingesperrt, wenn ihr mich fragt.« Manny Douglas, der für den
Mountain Reporter
schrieb, hatte sie einmal als »Teil des Lokalkolorits von Grizzly Falls« beschrieben. Manny hatte sie freundlicherweise mit Ivor Hicks in einen Topf geworfen, der glaubte, in den Siebzigern von Aliens entführt worden zu sein, und mit Henry Johansen, einem Bauern, der bei einem Sturz vom Traktor auf den Kopf gefallen war und seitdem behauptete, er könne Gedanken lesen.
    Wie du?,
fragte sie sich und starrte ins Feuer.
    Nicht alle in der Stadt hielten sie für verrückt. Einige Leute fanden sogar Gefallen an der Hellseherei, fanden sie und Grace faszinierend. Sandi Aldridge, die Eigentümerin des »Wild Will’s«, war immer freundlich, und Tante Barbara war zwar verärgert, weil sie hierher umziehen musste, um das einzige noch lebende Kind ihres Bruders zu versorgen, hatte ihr jedoch stets geraten, die Gabe als Gottesgeschenk anzunehmen.
    Ha. Grace griff nach dem Schürhaken und stocherte im Feuer, so dass die Funken flogen und die rote Glut noch heller aufleuchtete. Der Gang zum Büro des Sheriffs von Pinewood County würde kein Vergnügen für sie sein. Ganz und gar nicht. Sheriff Dan Grayson mochte sie nicht, und Pescolis Partnerin, Selena Alvarez, wirkte kalt und distanziert. Allerdings hatte diese Frau auch Geheimnisse, die sie streng hütete. Dessen war sich Grace sicher. Und die Vorstellung, Grayson oder Alvarez oder sonst jemanden von der Polizei von ihrer Vision überzeugen zu müssen, behagte ihr gar nicht. Ihr graute vor dem Hohn, mit dem man sie überschütten würde.
    »Was soll ich tun?«, fragte sie den Hund, und in diesem Moment hörte Grace die Stimme ihres Vaters, glockenklar. »Sei klug«, empfahl er ihr mürrisch. »Halte doch einfach den Mund.«
    Doch wie im Leben, so auch jetzt, war ihre Mutter anderer Meinung. »Hör nicht auf das, was andere über dich reden. Das Leben einer Frau steht auf dem Spiel. Du bist es ihr schuldig zu sagen, was du weißt.«
    »Ich
weiß
überhaupt nichts«, wandte Grace ein. Ihre Zehen wurden langsam wieder warm.
    »Nein?« Ihre Mutter schien ihr zum Greifen nah, aber natürlich sah Grace niemanden, nicht einmal einen

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