Der Zorn Des Skorpions
gestatten, mich von Gefühlen überwältigen zu lassen. Ich muss standhaft bleiben. Und doch bin ich aus der Fassung geraten. Tief im Inneren. Sie hat mich verunsichert, und mir fällt es schwer, meine Wut zu unterdrücken.
Ich.
Der ich gewöhnlich so ruhig bin.
Schuld ist dieses Weibsstück.
Detective.
Regan Pescoli bringt mich aus der Fassung, und das darf ich nicht zulassen. Nicht jetzt. Nicht, wenn es noch nicht vorbei ist.
Um mir Erleichterung zu verschaffen, nehme ich ihre Pistole zur Hand, fühle den glatten Stahl in meiner Handfläche. Eine Waffe vermittelt nun mal auf ganz besondere Weise ein Gefühl der Ruhe. Ich streiche mit dem Lauf über meine Wange und an meinem Hals herab, schließe die Augen und genieße das Gefühl. Ich kann nicht zulassen, dass eine Nervensäge wie Pescoli mich verunsichert oder zum Scheitern bringt, nicht jetzt, da ich volle Konzentration benötige.
Allmählich atme ich ruhiger, gehe zu meiner Bar und schenke mir ein Glas kühlen Wodka ein. Er beruhigt meine Nerven, nimmt mir die Reizbarkeit. Ich darf zunächst nicht an Pescoli denken.
Wie es aussieht, habe ich Wichtigeres zu tun.
Ich lege die Pistole zur Seite und greife nach dem Gewehr.
Es wird Zeit.
Ich kenne ihn.
Der Gedanke traf Pescoli wie ein harter Schlag, während sie auf der Pritsche lag, ihren Arm immer noch mit den Handschellen daran angekettet.
Ich kenne ihn irgendwoher, und er ist schlau genug, um zu wissen, dass ich ihn erkennen könnte.
Benommen und schwach stemmte sie sich auf einem Ellbogen hoch und bemerkte, dass ein wenig Licht aus einem hoch angebrachten Fenster fiel. Morgen? Morgendämmerung?
Sekundenlang dachte sie an Santana. Sein Bild stand ihr offenbar jedes Mal vor Augen, wenn sie in diesem kalten, dunklen Raum aufwachte. Ihre Träume waren erfüllt von Bildern von ihm, und jedes Mal, wenn sie sich beim Aufwachen wieder hier vorgefunden hatte, allein und in der Falle, blinzelte sie heftig, um ihn zurückzuholen. Vermisste er sie? Ahnte er, dass ihr etwas zugestoßen war? Das war das Problem bei ihrer Beziehung ohne Verpflichtungen: Sie wussten beide nicht, was der andere jeweils trieb. Sie hatte sich eingeredet, es so und nicht anders zu wollen. Jetzt wusste sie, dass sie sich selbst belogen hatte.
Der bittere Gedanke, dass sie ihn nie wiedersehen würde, traf sie tief.
Nicht daran denken. Du wirst ihn wiedersehen. Du musst. Du bist Mutter, um Himmels willen, du darfst nicht einfach aufgeben und hier in deinem Selbstmitleid baden. Herrgott noch mal, Pescoli, tu was, um dich zu retten!
Sie biss die Zähne zusammen, achtete nicht auf das Pochen in ihrem Kopf, den dumpfen Schmerz in Schulter und Rippen und versuchte wieder, sich zu bewegen. Schmerz fuhr in ihre Brust, doch er war erträglich. Sie war sicher gewesen, sich bei dem Unfall Rippen gebrochen zu haben und dann noch weitere, als der Psychopath, der sie entführt hatte, auf ihr saß und ihr Gott weiß was injizierte. Sie vermutete eine Art Beruhigungsmittel, etwas, was sie betäubte und vielleicht auch die Schmerzen vertrieb, denn sie hatte irgendwie geschlafen. Jetzt hoffte sie, dass ihre Rippen geprellt, aber nicht gebrochen waren. Sie taten trotzdem höllisch weh, doch sie konnte sich einigermaßen bewegen und glaubte nicht mehr bei jedem Atemzug, sterben zu müssen.
Soweit sie sich erinnern konnte, war er, nachdem er sich über sie gehockt hatte, noch einmal zurückgekommen, um nach ihr zu sehen und ihr Wasser und Suppe zu bringen. Gefüttert hatte er sie nicht, sondern ihr nur einen Löffel und einen Blechnapf mit etwas, das nach Hühnerbrühe roch, dagelassen, dazu eine Bettpfanne wie im Krankenhaus – die ultimative Demütigung.
Der Perverse hatte ihr keine Ruhe gelassen, als sie bewegungslos dalag, nicht fähig, sich aufzurichten, die Gedanken umnebelt.
Deswegen macht er nie Licht,
dachte sie jetzt, als ihr Verstand sich klärte und sie wieder vernünftig denken konnte.
Deshalb betritt er diesen Raum so selten, und wenn, dann trägt er eine dunkle Brille, eine Baseballkappe und einen Bart – vermutlich einen falschen. Er verkleidet sich.
Leider fand sie jedoch keinen brauchbaren Hinweis auf seine Identität. Zumindest jetzt noch nicht. Sie blickte auf die Tür und den Lichtstreifen darunter. Hin und wieder huschte ein Schatten vorbei und hielt inne, als stünde er auf der anderen Seite und spähte durch einen Türspion, den sie noch nicht hatte entdecken können, oder er presste sein Ohr an das Holz, um sie zu
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