Der Zorn Des Skorpions
Flammen schauen konnte. Seiner Meinung nach war die Anstrengung, die das Zersägen der umgestürzten Bäume auf dem Besitz und das Spalten der Kloben ihm im Frühling abforderte, die Mühe wert. Regan Pescoli war noch nicht ein einziges Mal hier gewesen. Genauso wenig, wie er sie jemals in ihrem Haus besucht hatte. Es war, als gäbe es zwischen ihnen einen unausgesprochenen Pakt, dass einer nicht in die Privatsphäre des anderen eindrang. »Bescheuert«, brummte Santana. Sie hatten sich beide so bemüht zu leugnen, was mit jeder Stunde, die verging, klarer wurde: dass er sich in sie verliebt hatte.
Er hängte Jacke und Hut an einen Pflock neben der Haustür. Nakita schnupperte an ihrem Fressnapf und schlabberte begeistert Wasser aus dem bereitgestellten Schüsselchen. Santana zog die wasserdichte Hose und die Stiefel aus und stellte Letztere vor dem Feuer auf dem Steinboden auf. Nachdem er noch ein paar Scheite in den Ofen geschoben hatte, fütterte er den Hund, schnitt für sich selbst eine dicke Scheibe Vollkornbrot ab, bestrich sie mit Butter und aß sie eilig auf. Dann wärmte er sich unter der Dusche wieder auf.
Nur ein einziger Gedanke kreiste in seinem Kopf: Regan ist verschwunden.
Mit versteinerter Miene trocknete er sich rasch ab und wehrte sich gegen die aufsteigende Panik. Doch er konnte sich einfach nicht einreden, dass alles in Ordnung wäre, dass Regan eben viel zu tun hatte oder ihm vielleicht sogar aus dem Weg gehen wollte.
Er zog sich an, und mit dem Gefühl von drohendem Unheil ging er zurück zum Ofen.
Wie gestern, als ein Windstoß die Stalltür aufriss und du einen Schrecken bekommen hast? Sieh den Tatsachen ins Gesicht, Santana, du entwickelst einen Verfolgungswahn. Wegen einer Frau. Und du hast dir geschworen, dass so etwas nie geschehen würde.
Er setzte sich auf eine abgenutzte Sessellehne und griff nach der Fernbedienung. Sein Hund schnarchte bereits leise auf dem Flickenteppich vor dem Feuer. Angespannt schaltete Santana die Frühnachrichten ein.
Was hatte Pescolis Partnerin noch gesagt, als sie ihn anrief und er wissen wollte, wo Regan steckte?
»Wenn wir das wüssten, würde ich Sie nicht anrufen.«
Wieder machte sich dieses ungute Gefühl in seinem Inneren breit.
Mensch, Santana, dich hat’s erwischt. Du kriegst Pescoli nicht aus dem Kopf. Hat sie dir nicht gesagt, was sie sich vorstellt? Eine Beziehung ohne Verpflichtungen? Hörte sich doch gut an, oder? Aber jetzt ist sie dir unter die Haut gegangen. Du wirst sie nicht mehr los, und gib doch zu, du willst es auch gar nicht.
Er biss die Zähne zusammen. Es war noch gar nicht so lange her, dass er sich geschworen hatte, nie wieder eine Frau näher an sich heranzulassen. Doch Pescoli mit ihrem brünetten Haar, das in der Sonne rotgolden leuchtete, und den grüngold schimmernden Augen hatte ihn überrumpelt. Sie war sportlich, blitzgescheit und hatte einen frechen Sinn für Humor, der ihn immer wieder erstaunte.
Und dann der Sex: hart und schnell. Oder sinnlich und träge.
Aber nie genug, ganz gleich, wie befriedigt er sich nach einem ihrer Rendezvous in einem Motel am Ort fühlte. Und nie langweilig. Er sah ihr so gern in die Augen, wenn sie sich liebten. Es erregte ihn, wenn er sah, wie ihre schönen Nippel hart und ihre Augen dunkel wurden, wenn die Pupillen sich vor Verlangen weiteten.
Er bekam nie genug von ihr.
Sie war ein Teufelsweib, wie er schon lange wusste, aber er hätte doch nie gedacht, dass er nicht von ihr würde lassen können.
Doch jetzt war er sich dessen nicht mehr so sicher.
Jetzt stand er Todesängste aus, und Nate Santana war kein Mann, der sich leicht fürchtete. Vielmehr hatte er sich schon manchmal gefragt, ob mit ihm etwas nicht stimmte. Vor die Wahl zwischen Kampf und Flucht gestellt, würde er sich immer für den Kampf entscheiden, was ihm schon oft Probleme eingebracht hatte. War nicht immer die klügste Entscheidung gewesen. Und auch seine Affäre mit Pescoli war nicht unbedingt eine gute Idee.
Alles an ihr hätte ihn vor ihr warnen müssen. Sie war schon zwei Mal verheiratet gewesen. Sie hatte zwei halbwüchsige Satansbraten. Sie war Detective im Morddezernat, zum Kuckuck. Nein, er hätte sich nie mit ihr einlassen dürfen, und hätte sie ihn nicht eines Abends in einer Bar regelrecht herausgefordert, erst zum Billard, dann zum Armdrücken, dann zu Whiskey, dann wären ihm ihr Duft, das Feuer in ihren Augen, passend zu ihrem roten Haar, oder die Art, wie sie ihn amüsierte, vielleicht nie
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