Der Zorn Des Skorpions
Menschenverstand ließ es nicht zu. »Fahren wir zum Büro des Sheriffs. Dort können Sie offiziell eine Aussage machen. Ihr kommt hier klar?«, wandte sie sich einem der Deputys zu.
»Kein Problem.« Eine Polizistin spannte Flatterband, stapfte bedächtig um den Vorgarten herum.
Doch sie irrte sich. Aus Santanas Sicht standen sie alle vor einem Problem. Vor einem großen.
»Du bist mit Füttern an der Reihe«, beschwerte Bianca sich, während sie sich abmühte, ihr Haar zu einem französischen Zopf zu flechten, wie sie es in einem von Michelles Hochglanzmagazinen gesehen hatte. Klar, das war retro, doch Miley Cyrus hatte ihr Haar vor kurzem auf dem roten Teppich so getragen, und Bianca wusste, diese Frisur wäre perfekt, P-E-R-F-E-K-T, für ihr Date mit Chris, wenn sie denn je zusammenkamen! Cisco tänzelte um ihre Füße herum und verlangte unablässig kläffend nach seinem Fressen, was Bianca aufbrachte und in ihrer Konzentration störte. Ihr Zopf war eine Katastrophe!
»Jeremy!«, schrie sie und ging den kurzen Flur entlang zu dem Gästezimmer/Büro, in dem ihr Bruder untergebracht war. »Hey! Du musst Cisco füttern!«
Jeremy lag auf dem Bett, das viel zu kurz für ihn war. Flüchtig löste er den Blick vom Bildschirm, auf dem irgendein Ballerspiel flimmerte – Kerle in Tarnanzügen rannten mit riesigen Gewehren in irgendeinem ausgebrannten Armageddon herum.
»O Mann!« Jeremy riss sich den Kopfhörer von den Ohren, während der Typ auf der Mattscheibe in seinem Blut schwamm. »Da hast du es! Ich bin tot! Meine gesamte Kompanie sitzt in der Falle!«
»Es ist doch nur ein Spiel«, sagte Bianca verächtlich. Sie war immer noch mit ihrem Haar beschäftigt, versuchte, die einzelnen Strähnen zu flechten.
»Was ist denn so wahnsinnig wichtig?«
»Du musst den Hund füttern.«
Er zog eine Grimasse. »Ach ja.«
Cisco stürmte ins Zimmer und sprang aufs Bett.
»Siehst du, er will Streicheleinheiten von dir«, erklärte Bianca.
»Die will er von jedem«, knurrte Jeremy, tätschelte dem kleinen Hund aber dennoch den Kopf.
»Hast du von Mom gehört?«, fragte Bianca in dem Versuch, ihre Sorge zu unterdrücken.
»Nein, aber sie ist sauer auf mich.«
»Das würde sie nicht daran hindern anzurufen.«
»Oder mich herumzukommandieren.«
»Genau.« Bianca warf einen Blick über die Schulter und schloss rasch die Tür. »Meinst du, Dad und Michelle wissen etwas und sagen es uns nicht?«
»Was denn zum Beispiel?«
»Dass sie verletzt ist, im Dienst angeschossen wurde oder einen Unfall hatte oder … etwas ganz Schlimmes?«
»Sie müssten es uns sagen«, antwortete er düster.
Bianca gab das Flechten zunächst einmal auf und ließ die wilden Locken bis auf die Schultern fallen. »Sie wollen uns doch ständig ›schützen‹.« Sie zeichnete mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, um ihre Aussage zu unterstreichen. »Moms Partnerin wäre nicht hierhergekommen, wenn es sich nicht um etwas Ernstes handeln würde.«
»Mag sein.«
Jeremy furchte die Stirn. Biancas Handy klingelte und meldete eine SMS . Sie drückte eine Taste und sah ein Foto von Chris auf dem Monitor. Chris und zwei von seinen Freunden, alle mit Weihnachtsmützen und albernen Grimassen. Sie lächelte und vergaß für ein paar Sekunden die Sorge um ihre Mutter. »Kümmere dich um den Hund«, befahl sie und lief aus dem Zimmer.
Jeremy, dessen Videospiel ruiniert war, blickte ihr nach. Sie ließ die Tür offen, was ihn mächtig ärgerte. Allerdings ärgerte ihn zurzeit alles und jeder. Sogar Heidi Brewster, die ihm ständig SMS schickte und sich mit ihm treffen wollte. Er wollte es auch. Und wie. Heidi war ein heißer Feger, und ihr Mund … Wahnsinn, was sie mit ihrem Mund alles machen konnte! Schon bei dem Gedanken daran bekam er einen Steifen. Aber sie brachte ihm nur Ärger ein, und den konnte er im Moment überhaupt nicht brauchen. Deshalb antwortete er nicht auf ihre SMS und brachte sie damit vermutlich richtig in Rage.
Pech.
Seit er zusammen mit ihr wegen Alkoholkonsums als Minderjähriger aufgegriffen worden war, war seine Laune auf dem Nullpunkt. Mom hatte ihn zu Hausarrest verdonnert, Heidis dämlicher Vater hatte ihm nahegelegt, seine Tochter nie wiederzusehen, und jetzt hockte er hier bei Michelle und Dad, was auch nicht so toll war.
Vielmehr hatte er es allmählich gründlich satt. Lucky versuchte entweder, sich bei ihm einzuschmeicheln, oder er kommandierte ihn herum. Als wäre er sein richtiger Vater oder so. Es war
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