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Der Zorn Des Skorpions

Der Zorn Des Skorpions

Titel: Der Zorn Des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
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unterdrücken.
    »Oh, schön, schön. Ich habe auf Ihren Anruf gehofft«, sagte der Mann hastig. »Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass sich der körperliche Zustand von Padgetts Vater in den letzten paar Wochen rapide verschlechtert hat. Er lebt in einem Pflegeheim, einem großartigen Heim, Regal Oaks, dem besten in Denver, aber es geht zu Ende mit ihm, und vor ein paar Wochen mussten wir uns an die Sterbeklinik wenden. Ich fürchte, wie es aussieht, ist Mr. Long dem Tode nahe und wird leider keine vier Wochen, vielleicht nicht einmal mehr diese Woche, überleben.«
    »Das tut mir leid. Danke für die Benachrichtigung.« Jalicia wartete. Der Anwalt hatte noch mehr zu sagen, dessen war sie sicher.
    »Wegen Padgetts Betreuung müssen Sie sich keine Sorgen machen; Hubert hat gründlich dafür gesorgt, dass sie für den Rest ihres Lebens versorgt ist. Ein Treuhandfonds wurde eingerichtet, also dürfte sich nichts ändern. Die Rechnungen können wie immer per Post oder E-Mail hierhergeschickt werden, und wir begleichen sie unverzüglich. Aber …«
    Jetzt kommt’s,
dachte Jalicia.
    »Tja, vor ihrem Unfall hatten Padgett und ihr Vater eine ungewöhnlich enge Beziehung, und … und ich frage mich, wie genau sie informiert werden soll und ob es überhaupt eine gute Idee ist.«
    »Wir belügen hier niemanden, Mr. Tinneman.«
    »Aber nein, nein. Natürlich nicht. Aber, nun ja, ich habe Padgett schon ziemlich lange nicht mehr gesehen.«
    Das war die Untertreibung des Jahres. Jalicia hatte Padgetts Akte durchgesehen, und Tinnemans Name tauchte in keiner Besucherliste auf. Die einzigen Besucher Padgetts in den letzten anderthalb Jahren waren ihr Bruder, Brady, vor über einem Jahr, und Liam Kress, ein Freund der Familie, der relativ regelmäßig gekommen war. Kein Mitglied der Kanzlei Sargent, McGill und Tinneman hatte jemals den Fuß über die Schwelle dieser Institution gesetzt.
    »Was meinen Sie?«, fragte Jalicia mit einem Blick auf die Uhr.
    »Padgett könnte verstört sein, wenn sie vom Zustand ihres Vaters erfährt. Vielleicht will sie sogar zum Begräbnis kommen, falls das möglich ist.«
    Dr. Ramsby versuchte, die Patientin von Zimmer 126 einzuschätzen. Würde sie überhaupt etwas davon begreifen? Verstehen, dass ihr Vater im Sterben lag? Sie blätterte in der Akte. Padgett Long hatte sich freiwillig in Mountain View einliefern lassen. Ein Gerichtsbeschluss lag nicht vor. Sie konnte jederzeit gehen, wenngleich zu bezweifeln war, dass sie um ihre Rechte wusste.
    »Würde ihr Bruder oder ein anderes Familienmitglied sie abholen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ein Betreuer?«
    »Es gibt keinen. Es sei denn, wir stellen einen ein.«
    »Jemanden von Ihrer Kanzlei.«
    »Ach, na ja. Ich glaube eher nicht.«
    »Was wollen Sie von mir, Mr. Tinneman?«
    »Ich möchte Sie nur über die derzeitige Situation in Kenntnis setzen«, erwiderte er barsch.
    »Okay.«
    Das Gespräch war in eine Sackgasse geraten. Tinneman wollte eindeutig noch mehr sagen, schlich aber anscheinend um den heißen Brei herum.
    Schließlich sagte er reichlich kühl: »
Kennen
Sie Padgett Long, Dr. Ramsby?«
    Jalicia stellte die Stacheln auf. »Ich bin ihre Ärztin.«
    Eine ausgedehnte Pause entstand, und die Stimme am anderen Ende der Leitung verlor jeglichen ländlichen Charme. »Sie sind relativ neu in Mountain View. Vielleicht hatten Sie noch keine Gelegenheit, Padgett richtig kennenzulernen. Ich arbeite seit Jahren für die Familie Long.«
    »Sie ist meine Patientin. Falls Sie mir noch etwas zu sagen haben …« Jalicia gab sich nun ebenfalls unterkühlt. Sie hatte Probleme mit Menschen, die nicht offen waren.
    »Auch sie hat gewisse Rechte«, sagte der Anwalt, als müsste er sich selbst überzeugen. »Das ist mir bewusst. Und ihr wahrscheinlich auch. Ich weiß nicht, wie sie auf die Nachricht vom Zustand ihres Vaters oder von seinem Tod reagieren wird. Wie gesagt, sie haben einander sehr nahegestanden. Auf Wiederhören.«
    Jalicia legte auf und sah den Hörer an. Was sollte dieser Anruf? Und was zum Teufel hatte es mit Padgett Long auf sich? Sie schlug den dicken Aktenordner auf und beschloss, von vorn anzufangen, vor fünfzehn Jahren, als die sechzehnjährige Padgett, stumm und ängstlich in Folge einer Kopfverletzung, durch die sie beinahe ertrunken wäre, als Patientin nach Mountain View kam. Sie hatte ihr halbes Leben, ihre gesamte Zeit als Erwachsene hier hinter den verschlossenen Toren dieser privaten psychiatrischen Anstalt

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