Der Zorn Des Skorpions
gefunden worden waren, gingen reihum.
Sie wollten die Konferenz gerade schließen, als es an der Tür klopfte und Joelle den Kopf durch den Spalt steckte. »Entschuldigung«, sagte sie, und Alvarez rechnete halb damit, dass sie mit einem Tablett voller Zimt-Zucker-Plätzchen, Heidelbeer-Rädchen und Schneebällchen in den Raum gestöckelt kam, doch stattdessen sagte sie: »Ich weiß, Sie wollten nicht gestört werden, aber Slatkin ist am Telefon und sagt, er habe wichtige Informationen für Sie.«
Alle verfielen in Schweigen.
»Stell ihn auf Leitung eins durch.« Grayson wies auf Zoller, die an dem Schreibtisch mit den Telefonen saß. »Schalten Sie die Lautsprechfunktion ein.« Wenige Sekunden später war die Verbindung hergestellt.
»Hier ist Grayson. Spann uns nicht lange auf die Folter, was hast du für uns, Mikhail?«
»Zunächst mal die Bestätigung. Die Kugel, die in der Lehne von Brady Longs Sessel steckte, entspricht den Geschossen an zwei Fundstellen von Autowracks.«
Alvarez wurde es schwer ums Herz. Also hatte der Unglücksstern-Mörder seine Vorgehensweise geändert.
»Okay, was noch?«, wollte Grayson wissen.
»Die Untersuchung auf Toxine von Mandy Ito liegt vor. In ihrem Blut finden sich Spuren von Rohypnol.«
»Das Schwein hat ihr Schlafmittel gegeben«, bemerkte Chandler kalt. »Date-rape-Drogen.«
Alvarez furchte die Stirn. »Aber er hat sie nicht vergewaltigt. Keine von ihnen.«
»Stimmt. Keinerlei Hinweis auf sexuelle Übergriffe«, bestätigte Mikhail über die Lautsprechfunktion. »Wir nehmen noch genauere Untersuchungen auf Toxine an allen Opfern vor und suchen nach Spuren von anderen Date-rape-Drogen, aber sie werden ziemlich schnell abgebaut.«
»Tut, was ihr könnt«, sagte der Sheriff. »Danke.«
Zoller legte auf, und Grayson unterzog sein Team einer genaueren Musterung. »Wie es aussieht, schlagen diese Ermittlungen jetzt einen anderen Kurs ein.« Er rieb sich den Nacken und legte die Stirn in Falten. »Ich will wissen, wer Nutzen aus Brady Longs Tod ziehen kann. Findet sein Testament. Sucht alles zusammen, was ihr nur finden könnt, über seine Ex-Frauen oder andere Personen. Mit wem er sich getroffen, wen er über den Tisch gezogen hat, alle, die ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hätten.« Er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte und fügte hinzu: »Die Liste könnte ziemlich lang sein. Und dann seht nach seinem Vater, ob er noch lebt oder schon gestorben ist.«
»Dessen Leben hängt an einem seidenen Faden. Die Sterbeklinik ist schon benachrichtigt. Aber Hubert ist ein zäher Brocken. Er kann genauso gut noch zwei Monate leben wie zwei Minuten«, bemerkte Brewster. »Ich habe im Pflegeheim angerufen, aber mehr wollten sie mir nicht sagen. Aber eins ist klar: Lange wird er nicht mehr unter den Lebenden weilen.«
Grayson fragte mit schmalen Augen: »Und die Schwester? Paige, oder wie heißt sie gleich?«
»Padgett«, berichtigte Alvarez.
»Genau. Ich denke, sie wird bald eine sehr, sehr reiche Frau sein.«
Stephanie Chandler sagte kalt: »Dass wir Longs Mörder suchen, ist ja schön und gut. Aber wir haben es außerdem noch mit fünf toten Frauen und zwei Vermissten zu tun, einschließlich einer Ihrer Detectives.«
Über Graysons linkem Auge trat ein Tic in Erscheinung, und es war nicht zu übersehen, dass er sich bemühte, seinen köchelnden Zorn zu beherrschen. »Machen Sie keinen Fehler, Agent Chandler; was die Opfer dieses Unglücksstern-Mörders betrifft, hat sich nichts verändert. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren weiter. Wir geben keinen Fußbreit nach. Wir schöpfen alle Ressourcen dieses Dezernats aus, um ihn zu schnappen, doch jetzt fächern sich die Ermittlungen breiter, nehmen eine unvorhergesehene Wendung. Wir suchen nicht mehr nur nach einem Mörder, der darauf abfährt, seine Opfer in der Wildnis erfrieren zu lassen, nein, wir suchen zudem nach einem Mörder mit einem anderen Grund zum Töten. Vielleicht einen tief verwurzelten, persönlichen. Womöglich eine Privatfehde. Ich würde sagen, das psychologische Profil des Täters hat sich verändert, und wir müssen uns darauf einstellen.« Er erhob sich abrupt und beugte sich über den Tisch. Sein Tic zuckte heftig und schnell. »Aber es ist meine Absicht, nein, besser: meine persönliche Mission, das abartige Schwein zu finden und in den Knast zu stecken, bevor ein weiteres Leben ausgelöscht wird!« Er blickte in die Runde. »Fangen wir an.«
Alle schoben ihre Stühle zurück und sammelten
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