Der Zorn Gottes
braunrotem Sarsenett mit goldenen Tressen und wechselte seine
Stiefel gegen ein Paar höfischere, prächtigere. Als er in die Küche
kam, glänzte sein rotes Gesicht, und er duftete süß wie
eine Rose von dem Balsam, mit dem er sich Hände und Wangen
eingerieben hatte.
»Sir John, Ihr seht vom
Scheitel bis zur Sohle aus wie der Lord Coroner.« Athelstan blickte
an seiner staubigen Kutte hinunter. »Ich fürchte, ich habe
nichts Sauberes anzuziehen.«
»Du siehst aus wie das,
was du bist«, gab Cranston zurück und klopfte ihm sanft auf die
Schulter. »Wie ein armer Priester, ein Mann Gottes, ein Diener
Christi. Glaub mir, Athelstan, du kannst einen Hundeköttel in ein Stück
Brokat wickeln, aber ein Hundeköttel bleibt es trotzdem.«
Und mit diesem kernigen Stück
hausgemachter Weisheit wandte Cranston sich ab, brüllte den Mägden
etwas zu, gab Boscombe Anweisungen wegen der Hunde, holte seinen
wunderbaren Weinschlauch und marschierte den Korridor hinunter. Athelstan
eilte ihm nach, und Sir John öffnete die Haustür.
»Oh, hau ab!« brüllte
er den rothaarigen, einbeinigen Bettler Leif an, der am Türrahmen
lehnte, das schäbige Bettelbrett um den Hals gehängt. Leif sah
aus, als wolle er im nächsten Augenblick vor Erschöpfung und
Hunger zusammenbrechen, aber Athelstan wußte, daß er ein
vollendeter Schauspieler war, der ebenso herzhaft aß und trank wie
Sir John.
»Oh«, winselte
Leif, »mein Bauch ist leer.«
»Dann paßt er ja
zu deinem Kopf!«
»Sir John, eine
Brotkrume, einen Becher Wasser?«
»Den Teufel!« brüllte
Cranston. »Du hast schon mein Abendessen aufgefressen! Du bist ein
gieriger, magerer Gauner, Leif.«
»Sir John, ich bin ein
armer Mann.«
»Ach, geh schon hinein«,
knurrte Cranston. »Geh zu Boscombe; er ist mein neuer Dienstmann.
Nein, ich hab's mir anders überlegt. Boscombe!«
Der kleine Kerl erschien,
lautlos wie ein Schatten.
»Das ist Leif«,
sagte Cranston. »Er wird mich mit seiner Freßgier noch um Haus
und Hof bringen. Gib ihm Wein - aber nicht von meinem Roten. Brot ist da
und Suppe, und Lady Maude hat eine Pastete in der Speisekammer.«
»Oh, ich danke Euch,
Sir John.« Behende wie ein Eichhörnchen hoppelte Leif in den
Hausflur.
»Ach, übrigens…«
Cranston lächelte boshaft. »Leif, mein Freund, geh in den
Garten. Ich habe zwei neue Gäste, die dich gern kennenlernen wollen.«
Er schlug die Tür hinter sich zu und ging leise lachend die Cheapside
hinunter.
»Sir John, war das vernünftig?«
»Oh, mach dir nur keine
Sorgen um Leif, Athelstan«, rief Cranston über die Schulter.
»Der ist flink wie ein Floh und kann schneller rennen als du oder
ich. Und hat es auch schon oft getan«, fügte er hinzu.
Abgesehen von den Müllkarren,
den Straßenkehrern und vereinzelten, safrangelb gekleideten Huren,
die sich an den Wirtshaustüren herumtrieben, lag die Cheapside jetzt
verlassen da. Sowie es erst dunkel war, würden sie und das übrige
Stadtgesindel, lärmende Burschen und das, was Cranston als »das
Nachtgelichter« bezeichnete, ihre Anwesenheit spürbar machen.
Als sie am Rathaus ankamen,
war das ganze Gebäude von königlichen Bogenschützen und
Gardesoldaten umstellt. Cranston schrie seinen Namen und drängte sich
an ihnen vorbei, die Treppe hinauf und in den Audienzsaal, wo Lord Adam
Clifford sie erwartete.
Das Gesicht des jungen Höflings
verzog sich zu einem aufrichtigen Lächeln. »Sir John, Bruder
Athelstan.« Er drückte ihnen warm die Hand. »Ihr seid mir
höchst willkommen.«
Cranston warf einen Blick auf
die schlichte Lederjacke des jungen Edelmannes, die wollene Hose und die
hochhackigen Lederreitstiefel.
»Aber Mylord, kommt Ihr
denn nicht auch zum Bankett?«
Der junge Mann zog eine
Grimasse. »Der Lord Regent hat andere Aufgaben für mich.«
Athelstan sah am Blick des
jungen Mannes, daß dieser sich nicht gern wegschicken ließ.
»Ihr seid der letzte
Gast, Sir John«, flüsterte er drängend. »Gleich wird
der König kommen, und dann beginnt das Bankett. Beeilt Euch lieber!«
Clifford übergab sie
einem livrierten Diener, der sie die Treppe hinauf und durch mehrere
Korridore führte, die von flackernden Fackeln erhellt waren.
Gleichwohl spürte Athelstan allenthalben Unbehagen: Überall sah
man Bogenschützen, entweder mit dem weißen Hirschen, dem persönlichen
Wappen des Königs, oder mit
Weitere Kostenlose Bücher