Der Zorn Gottes
sie trotz
seiner Nervosität geschickt auffing.
»Master Boscombe, dir
ist schweres Unrecht geschehen. Warte dort drüben.«
Flink wie ein Kaninchen
huschte Boscombe davon und ließ sich bei den großen
Wolfshunden nieder. Gaunt trat auf Cranston und Athelstan zu und strich
mit der Fingerspitze über den Rand seines Bechers.
»Wenn Boscombe es nicht
war«, sagte er leise, »wer war es dann?«
Athelstan und Cranston
starrten ihn wortlos an.
»Was noch wichtiger ist«,
fuhr Gaunt fort, »wie wurde der Mord vollbracht? Der Garten ist nach
allen Seiten geschlossen. Mountjoy war Soldat, und seine Hunde bewachten
ihn. Wir haben seinen Weinbecher untersucht, der kein Betäubungsmittel
enthielt. Wie also konnte jemand so nah herankommen und den Mann
umbringen?« Gaunt deutete auf Sir John. »Mylord Coroner, Ihr
und Euer Schreiber werdet heute abend bei dem Bankett meine Gäste
sein. Ihr habt den Befehl, diese Sache so schnell wie möglich aufzuklären.«
Er schaute seine Begleiter an. »Meine Herren, wir müssen diese
Angelegenheit in die fähigen Hände des Lord Coroner legen.«
»Habt Ihr denn die
andere Geschichte schon aufgeklärt?« fragte Goodman boshaft.
Cranston wurde rot vor Wut
über das Gelächter, das diese Bemerkung auslöste.
Sir Nicholas Hussey, den Cranston insgeheim schätzte, machte ein
betretenes Gesicht.
»Um was für eine
Geschichte geht es?« wollte Gaunt wissen.
»Oh«, blökte
Goodman und trat vor, »auf der London Bridge und anderswo werden die
abgeschlagenen Köpfe und blutigen Gliedmaßen von hingerichteten
Verrätern gestohlen. Schon seit Wochen versucht Sir John, den Dieb zu
fangen.«
Gern hätte Athelstan dem
Bürgermeister in das rote, fleischige Gesicht geschlagen; statt
dessen schaute er zu Boden und hoffte, Cranston werde seinem Jähzorn
nicht nachgeben. Sir John enttäuschte ihn nicht; er baute sich vor
dem Bürgermeister auf, das Gesicht nur noch eine Handbreit von dem
seines Widersachers entfernt.
»Ich werde diese
Angelegenheit nicht nur aufklären«, flüsterte er laut
genug, daß die anderen es hören konnten, »sondern
versichere Euch, Sir, daß, wenn die Sache erledigt ist, auf der
London Bridge neue Köpfe auf die Stangen gespießt werden.«
Alle wandten sich zum Gehen
und wollten gerade das Rathaus betreten, als Boscombe gerannt kam und sich
dem Regenten zu Füßen warf.
»Mylord!« heulte
der Mann und wandte das tränennasse Gesicht zu John von Gaunt empor.
»Was soll ich jetzt tun? Mein Herr ist tot. Und die Hunde …?«
»Habt Ihr eine Stellung
für ihn?« fragte Gaunt den Bürgermeister.
Goodman schüttelte den
Kopf, und der Regent zuckte die Achseln.
»Dann, Master Boscombe,
mußt du dich mit dem begnügen, was du hast. Wenigstens bist du
frei.«
»Und die Hunde?«
heulte der Mann.
»Vielleicht sollten sie
ihrem Herrn nachfolgen. Es sei denn« - Gaunt warf Cranston einen
Blick zu »der Lord Coroner wollte die Kosten für euch alle drei
übernehmen.«
Cranston betrachtete den erbärmlichen
kleinen Mann und die beiden riesigen Wolfshunde, die sich anscheinend mit
ihrem Schicksal abgefunden hatten. Schon wollte er ablehnen, aber da sah
er Goodmans höhnische Miene und die traurigen Augen der Hunde.
»Ich übernehme die
Kosten«, erklärte er, bevor Athelstan ihn zur Vorsicht mahnen
konnte.
Cranston stellte Boscombe auf
die Füße, pfiff den Hunden und marschierte durch das Rathaus
davon. Er grinste boshaft von einem Ohr zum anderen, als die Hunde ihm
folgten und die mächtigen, arroganten Männer auseinanderstieben
ließen.
Drei
»Lady Maude wird mich
umbringen!« murmelte Sir John. Er saß mit Athelstan auf einer
Gartenbank und schaute zu, wie die beiden großen Wolfshunde, die dem
Cranston'schen Haushalt bereits eine Heidenangst eingejagt hatten, im
Garten herumtollten. Ab und zu kamen sie gerannt, legten dem Coroner die
großen Pfoten auf die fetten Beine und leckte ihm das Gesicht, bis
der Garten von Cranstons wüstesten Flüchen widerhallte.
Boscombe hatte keine zweite
Einladung gebraucht; er hatte seine kläglichen Habseligkeiten in ein
Bündel geschnürt und war Sir John nach Hause gefolgt. Jetzt
stand er in der Haustür, gewaschen, umgezogen und mit einem vollen
Becher Rotwein in der Hand.
»Guter Mann! Braver
Mann!« brummte Cranston. »Du stehst bereits hoch in meiner
Gunst.« Er hob einen runden Zeigefinger
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