Der Zorn Gottes
ist.«
»Ermordet?«
schrie Goodman.
»Unmöglich!«
protestierte Marshall. »Was wollt Ihr damit andeuten, Bruder?«
»Mein Schreiber will
überhaupt nichts andeuten«, erwiderte Cranston und richtete
sich auf.
Athelstan legte die Serviette
so auf den Tisch, daß Teller und Becher bedeckt waren.
»Wenn mein Secretarius
sagt, ein Mann ist vergiftet worden«, fuhr Cranston trotzig fort,
»dann ist der Mann vergiftet worden.«
»Na, na, was heißt
denn das?« warf der junge König ein. »Wenn Sir Thomas
hier ermordet worden ist, dann ist der Mörder noch im Raum.«
Athelstan erhob sich und ging
zu einem Diener, der mit einem Krug Rosenwasser und einer Schüssel
dastand; ein kleines Handtuch hing über seinem Arm. Athelstan lächelte
den Mann an, streckte die Hände aus und wusch sich sorgfältig
die zuckrigsüße Substanz aus Fitzroys Mund von den Fingern.
Dann trocknete er die Hände gründlich mit dem Handtuch ab und
ging zurück zu den Gästen.
»Ich glaube, daß
Master Fitzroy ermordet wurde«, erklärte er. »Ich habe
schon Anfälle gesehen, aber so einen noch nicht. Der Tod kam zu plötzlich,
und ich habe einen merkwürdigen Geruch auf den Lippen wahrgenommen.«
Die mächtigen
Gildenherren starrten Athelstan an. Jetzt glaubten sie ihm, und in ihren
arroganten Blicken lag ein Hauch von Angst und Mißtrauen.
»Wer hat rechts und
links von ihm gesessen?« Cranston stellte die Frage, die bis jetzt
niemand gestellt hatte.
»Ich«, sagte
Goodman, »ich habe rechts von ihm gesessen.«
»Und ich zu seiner
Linken«, erklärte Sudbury. »Wieso - was wollt Ihr damit
andeuten?«
Cranston schaute zu den
Dienern hinüber, die sich an der Tür zusammendrängten.
»Ihr, Sir!« Ein stumpfer Finger deutete auf einen verängstigt
aussehenden Truchseß. »Kommt her.«
Der Mann kam hastig herbei.
»Hat Sir Thomas etwas
gegessen oder getrunken, was wir nicht bekommen haben?«
»Nein, Sir. Das ganze
Essen wurde von derselben Platte serviert, und seinen Wein bekam er aus
demselben Krug wie jeder hier.«
»Dafür verbürge
ich mich.« Bremmer, der Meister der Tuchmachergilde, meldete sich zu
Wort.
»Ich auch«, erklärte
Marshall von den Gewürzhändlern. »Wißt Ihr, der alte
Fitzroy hat gern gegessen und getrunken. Bremmer und ich haben gewettet,
daß er von allem eine doppelte Portion verlangen und sich öfter
als alle anderen nachschenken lassen würde. Ich hatte übrigens
recht«, fügte der Gewürzhändler verschmitzt hinzu und
warf Cranston einen kurzen Blick zu. »Er hat sogar mehr gegessen und
getrunken als Ihr, Sir John.«
Cranston funkelte ihn an und
rülpste laut, als sei das die einzige Antwort, deren eine solche
Behauptung würdig war. Dann sah er Bremmer an. »Dessen seid Ihr
sicher?«
»Jawohl, Sir John.«
»Und Ihr?«
Cranston begann leise zu schwanken, als er sich dem Diener zuwandte und
ihn scharf ansah.
Oh Herr, betete Athelstan bei
sich, laß nicht zu, daß Sir John sich jetzt hinsetzt und
einschläft. Nicht jetzt! Bitte!
Aber Cranston schien störrisch
zu werden, als er sich jetzt dem verängstigten Truchseß drohend
näherte.
»Seid Ihr sicher, daß
Fitzroy nur das gegessen und getrunken hat, was wir auch bekommen haben?«
»Natürlich, Sir
John. Seht« - der Truchseß drehte sich um und verbeugte sich hastig
vor dem König und dem Regenten -, »alle Speisen und Getränke
wurden zuerst Seiner Gnaden dem König und Mylord Gaunt serviert, und
danach allen anderen. Wenn ein Speisenaufträger zurückgekommen wäre,
um neuen Wein oder neues Essen zu holen, ehe er Sir Thomas erreicht hätte,
dann würde ich mich daran erinnern.«
»Ist den Dienern denn
zu trauen?« stichelte Goodman.
Wütend blitzte ihn der
Truchseß an. »Wie soll denn einer von uns«, fauchte er,
»mit beiden Händen Speise und Trank servieren und gleichzeitig
Gift daraufstreuen oder schütten, während andere, nicht zuletzt
Fitzroy, ihn dabei beobachten?«
»Ich frage ja nur«,
grinste Goodman.
Cranston machte ein
ungezogenes Geräusch und ging zu Athelstan. Turmhoch überragte
er den Bruder und funkelte auf ihn herab. »Hoffentlich hast du
recht!« zischte er.
»Keine Sorge, mein
guter Coroner.« Athelstan lächelte. »Ah, da kommt der
Arzt.«
In einen weiten Mantel gehüllt,
kam Theobald de Troyes mit großen Schritten herein; er schaute
verschlafen und erbost, weil man ihn
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