Der Zorn Gottes
weg.
»Sir John, Bruder
Athelstan.« Mit leuchtenden Augen winkte der König ihnen, sich
zu setzen. »Mein Onkel ist nicht hier, und so kann ich tun, was ich
will. Sir Nicholas, wollt Ihr bleiben?«
Der Hauslehrer verbeugte
sich. Athelstan sah gerade noch, wie ein Blick zwischen dem jungen König
und seinem Mentor hin und her ging. Richard ergriff Cranstons Pranke und
beugte sich vor, damit auch Athelstan sein verschwörerisches Flüstern
hören konnte.
»Habt Ihr den Mörder
schon gefunden?«
»Nein, Euer Gnaden.«
»Und wißt Ihr,
wer dieser Ira Dei ist?«
Wieder schüttelte
Cranston den Kopf. Richard lächelte.
»Aber mein Onkel ist außer
sich. Ich habe ihn brüllen hören«, fuhr er fort. »Er
macht allen Vorwürfe. Goodman, der Bürgermeister, und sogar
seine Kreatur Lord Clifford sind seinem Tadel nicht entkommen. Glaubt Ihr,
jemand wird meinen Onkel ermorden?«
Cranston bedachte den Jungen
mit einem strengen Blick. »Euer Gnaden, wie könnt Ihr so etwas
sagen?«
»Oh, ganz leicht; mein
Onkel wäre gern König.«
»Euer Gnaden, wer immer
Euch das einredet, ist ein Verräter und ein Spitzbube. Eines Tages
werdet Ihr König sein. Ein großer Fürst, wie Euer Vater.«
Richards Blick umwölkte
sich, als Cranston Gaunts Bruder erwähnte, den berühmten
Schwarzen Prinzen.
»Kanntet Ihr meinen
Vater gut, Sir John?«
Cranston wurde sanft. »Ja,
allerdings, Sire. Ich stand an seiner Seite, als die Franzosen in Poitiers
versuchten, durchzubrechen.«
Und auf Richards Bitten hin
erzählte der Coroner ganz ausführlich von den letzten Phasen des
Sieges, den der Schwarze Prinz errungen hatte. Richard lauschte mit
aufgerissenen Augen, bis Hussey betonte, daß der Coroner ein
vielbeschäftigter Mann sei und sich um andere Dinge kümmern müsse.
Richard erlaubte ihnen, sich zu entfernen, und dankte Athelstan und
Cranston herzlich. Sie waren im Gehen, als Richard ihnen auf Zehenspitzen
durch das Gras nachgelaufen kam und beide am Ärmel festhielt.
»Wenn Ihr Ira Dei
findet«, flüsterte er aufgeregt, »bringt ihn zu mir, Sir
John.«
Cranston lächelte und
verneigte sich. Er und Athelstan durchquerten das Rathaus und traten
hinaus in die Hitze der Cheapside.
»Was sollte denn das
nun wieder alles?« brummte Cranston bei sich.
Athelstan schüttelte den
Kopf. Erst als sie wohlbehalten an einem Fensterplatz in der Schenke zum
Heiligen Lamm Gottes saßen, jeder mit einem Humpen kühlen Ales
in der Hand, sprach der Bruder wieder.
»Als wir aus dem
Rathaus kamen, habt Ihr eine Frage gestellt, Sir John. Habt Ihr schon
einmal daran gedacht, daß diese Morde vielleicht gar nicht das Werk
des Bauernführers Ira Dei sind, sondern das einer anderen Fraktion am
Hof, die den Regenten in Mißkredit bringen will?«
»Du meinst Hussey und
andere?« Cranston schüttelte den Kopf. »Darauf, guter
Bruder, kann ich nur antworten: Hast du schon einmal
daran gedacht, daß der junge König ebenfalls stürzen könnte,
wenn Gaunt geht?«
Überrascht lehnte sich
Athelstan zurück. »Ist die Lage so heikel, Sir John?«
»Oh ja. Glaubst du, daß
die Bauernführer, falls es tatsächlich zur Revolte kommt,
zwischen dem einen und dem anderen Fürsten unterscheiden werden? Hast
du nicht ihr Lied gehört, Bruder? ›Als Adam grub und Eva
spann, wo war da der Edelmann?‹« Cranston nahm einen Schluck
aus seinem Bierkrug. »Was mir mehr Sorgen macht, Bruder, sind Leute
wie Goodman, Denny und Sudbury, die London gern ohne König sehen würden,
regiert von Kaufmannsfürsten wie die Städte, mit denen sie ihren
Handel treiben: Florenz, Pisa und Genua. So viele Mitspieler«,
murmelte er. »Weiß der Himmel, Bruder, es ist schwer, zwischen
den Guten und den Bösen zu unterscheiden.« Er brüllte nach
mehr Ale. »Aber bevor Hussey kam, wolltest du wohl sagen, du
vermutest, daß Gaunt einen Spion in deiner Pfarrgemeinde hat?«
Athelstans Gesicht wurde
verschlossen und schmallippig, und Cranston sah, daß der sanftmütige
Bruder einen seiner seltenen Wutanfälle hatte.
»Du hast einen
Verdacht?«
»Für den
Augenblick, Sir John, und mit Verlaub will ich meine Gedanken für
mich und meinen Mund verschlossen behalten. Aber es stimmt, ich habe einen
Verdacht.«
Sie blieben noch eine Stunde
sitzen; Cranston beschloß, lieber in der Schenke zu essen, als in
sein leeres Haus zurückzukehren. Die Schatten
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