Der Zorn Gottes
greifen
inzwischen alle wichtigen Häfen am Kanal an, und der Regent braucht
verzweifelt Soldaten. Wenn er noch mehr aus Hedingham und den anderen
Burgen nördlich von London abzieht, könnte das schließlich
den Aufstand auslösen.«
Cranston sah zu, wie die
Bogenschützen vorübermarschierten, abgehärtete Männer
mit kurzgeschnittenen Haaren und wettergegerbten Gesichtern, Veteranen,
die mit jedem Bauernaufstand kurzen Prozeß machen würden.
»Was wirst du tun?«
fragte er Athelstan plötzlich. »Ich meine, wenn der Aufstand
kommt?«
Der Bruder verzog das
Gesicht. »Ich werde Benedicta fortschicken und jeden, der aus dem
Auge des Wirbelsturms entfliehen will. Und
dann werde ich in meiner Kirche bleiben.«
Auch Athelstan betrachtete
die Soldaten. Sie erinnerten ihn an seinen Bruder Francis und an sich
selbst, als sie mit den englischen Truppen ihren kurzen und ruhmlosen
Feldzug nach Frankreich unternommen hatten. Er war heimgekehrt und hatte
Francis in irgendeinem Massengrab zurückgelassen. Wie immer, wenn er
an seinen Bruder dachte, schloß Athelstan die Augen und flüsterte
ein kurzes Totengebet für den Frieden seiner Seele.
Sie setzten ihre Reise fort
und erreichten schließlich das schmale, dreistöckige Haus der
Hobdens. Athelstan schaute daran hinauf. Er sah eine einzelne Kerze in
einem Fenster im Obergeschoß brennen, und ihn fröstelte.
»Christus und alle
seine Engel mögen uns beschützen!« flüsterte er und
klopfte an die Tür.
»Keine Angst!« drängte
Cranston. »John Cranston ist da.«
»Ja«, flüsterte
Benedicta. »Ich glaube, Engel gibt es in allen Formen und Größen.«
Cranston wollte gerade zu
einer schnippischen Antwort ansetzen, als die Tür sich öffnete.
Walter und Eleanor Hobden begrüßten sie. Athelstan empfand
sofort Abneigung gegen alle beide. Der Mann wirkte verschlagen und
heimlichtuerisch, und Eleanor mit ihren scharfen Zügen und dem
bohrenden Blick sah aus wie eine richtige Hexe.
»Pater, seid
willkommen.«
Die Hobdens traten beiseite
und ließen sie eintreten. Als Athelstan in den dunklen Hausflur
trat, bemühte er sich, seine bange Unruhe und das Frösteln der
Erwartung niederzukämpfen; er war angespannt, als erwarte er einen
Schlag.
»Ich habe Sir John
mitgebracht«, erklärte er stockend. »Sir John Cranston,
den Coroner der Stadt. Und das ist Benedicta, ein Mitglied meines
Gemeinderats.« Er lächelte unsicher. »In solchen Fällen
ist es am besten, wenn man Zeugen hat.«
Die Hobdens standen rechts
und links vom Feuer und schauten sie nur mit harten Augen an; Athelstan
hatte Mühe, sein wachsendes Unbehagen zu unterdrücken. Was
mochte hier vorgehen? Wieso machte dieses Haus ihm solche Angst? Er kannte
die Hobdens kaum, und doch fand er die Atmosphäre in ihrem Haus bedrückend
und vom unsagbar Bösen erfüllt.
»Wo ist eure Tochter?«
fragte er und merkte wohl, wie bedrückt auch Cranston und Benedicta
geworden waren. Er warf einen Blick über die Schulter. Cranstons
sonst so fröhliches Gesicht wirkte jetzt ernst und düster, als
habe das Haus seinen gewohnten Überschwang verschluckt.
»Elizabeth ist oben«,
murmelte Walter Hobden. »Pater, habt Ihr Ol und Weihwasser
mitgebracht?«
»Natürlich.«
»Es wird bald anfangen«,
sagte Eleanor Hobden. »Sobald es dunkel wird, erscheint der Dämon.«
»In welcher Weise?«
fragte Cranston knapp, bevor Athelstan ihn daran hindern konnte.
Walter hob die mageren
Schultern. »Pater Athelstan weiß es«, sagte er in
winselndem Ton. »Elizabeth spricht, aber mit der Stimme ihrer
Mutter. Dann ist da ein Klopfen in den Wänden, und dieser Geruch, und
die Beschuldigungen …« Seine Stimme brach.
»Wie ist deine Frau
gestorben?« fragte Athelstan. »Ich meine, deine erste Frau?«
»An einem Abszeß
in ihrem Inneren«, antwortete Eleanor schroff. »Wir haben die
besten Ärzte gerufen, aber sie konnten nichts tun. Sie
schwand einfach dahin. Ich war eine entfernte Cousine von Sarah, und als
sie krank wurde, kam ich her, um sie zu pflegen. Pater, man konnte
wirklich nichts tun.«
Athelstan drehte sich um, als
eine alte Frau wie ein Schatten ins Zimmer geschlichen kam.
»Das ist Anna«,
erklärte Walter, »Elizabeths Amme.«
Die alte Frau kam näher,
und ihr runzliges Gesicht verzog sich zu einem Lächeln ohne
Heiterkeit.
»Elizabeth hat sogar
mich vertrieben«, jammerte sie. »Sie
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