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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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das, Sir John? Wollt Ihr mir Angst machen?«
    »Nein.« Cranstons
     Gesicht blieb ernst. »Nur dieses eine Mal habe ich so etwas
     miterlebt und dabei eine Lektion gelernt. Bruder, ich kann gut
     unterscheiden zwischen den wahren Mächten der Finsternis und den
     zahllosen Gaukeleien der Scharlatane. Glaub mir, ich habe alles gesehen.
     Stimmen in der Nacht, Fußspuren auf staubigen Treppen, Klirren im
     Keller.« Er grinste. »Also vertraue nur auf den alten John
     Cranston, Bruder. Bring du dein Ol und dein Weihwasser auf alle Fälle
     mit, aber laß den alten John tun, was er für richtig hält.«

 
    Acht
    Cranston und Athelstan hatten
     St. Erconwald bald erreicht. Während der Coroner es sich im Hause des
     Priesters gemütlich machte, schloß Athelstan die Kirche auf und
     kniete am Lettner nieder, um sein Stundengebet zu sprechen. Er hatte Mühe,
     sich auf die Worte des Psalmendichters zu konzentrieren, und die Worte
     »Ein Meer von Plagen« ließen ihn nicht los. Er hielt
     inne und dachte an die Probleme, die ihn und Cranston erwarteten, und an
     die Möglichkeit, daß der Regent sogar in dieser kleinen
     Pfarrgemeinde von St. Erconwald seine Spitzel hatte. Der Bruder hockte
     sich auf die Fersen und schaute zum Kruzifix hinauf. Er hoffte, die Prüfung
     heute abend würde die erste und die letzte sein; im stillen gelobte
     Athelstan, dann alle seine Kräfte diesem Ira Dei und den
     schrecklichen Mordtaten zu widmen, die im Rathaus und anderswo begangen
     worden waren.   
    Er spähte zu der neuen,
     wunderschön gemeißelten Statue des Hl. Erconwald hinüber,
     des Schutzheiligen seiner Pfarrei, und er lächelte. Erconwald war ein
     großer Bischof in London gewesen, ein Mann, der in dieser
     betriebsamen Stadt mit vielen Problemen zu kämpfen hatte, bevor er
     sich in die Einsamkeit eines Klosters in Barking zurückzog. Voller
     Mitgefühl betrachtete der Bruder das starre, fromme Gesicht und war
     so in Gedanken versunken, daß ihn eine sanfte Berührung an der
     Schulter zusammenfahren ließ.    
    »Pater, es tut mir
     leid.«
    Athelstan drehte sich um und
     sah Benedicta, die besorgt auf ihn herabblickte.
    »Pater, Ihr habt doch
     gesagt, ich soll zur Vesper wieder herkommen?«
    Athelstan rieb sich die Augen
     und lächelte. »Benedicta, schön, daß du gekommen
     bist. Warte hier.«
    Er stieg die Altarstufen
     hinauf, öffnete das Tabernakel und nahm die Heiligen Öle heraus
     und aus der Sakristei eine Flasche mit Weihwasser und ein Aspergillum. Er
     tat alles in eine kleine Ledertasche und kam wieder in die Kirche.
    »Ich nehme an«,
     sagte er mit gespielter Strenge, »daß in der Pfarrei alles in
     Ordnung ist?«
    »Still wie das Meer vor
     dem Sturm«, neckte sie.
    Sie verließen die
     Kirche, schlössen ab und gingen hinüber zu Cranston, der mit
     weit offenem Mund und zurückgelegtem Kopf auf Athelstans einzigem
     Stuhl saß und schnarchte, was das Zeug hielt, während
     Bonaventura zusammengerollt auf seinem breiten Schoß ruhte.
    »Oh, du dummer Kater«,
     flüsterte Athelstan und hob ihn behutsam herunter, ehe er Cranston
     wachrüttelte.
    Der Coroner erwachte wie
     üblich mit einem Schmatzen, begrüßte Benedicta und ging
     dann auf Athelstans Drängen in die Speisekammer, um sich Hände
     und Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen. Erfrischt kehrte er zurück
     und dröhnte, nun sei er bereit, es mit dem Teufel und jedem anderen
     aufzunehmen.
    Die drei verließen St.
     Erconwald, ein jeder versunken in seine Vorstellung von dem, was geschehen
     würde, und sie wanderten durch die engen Gassen und Sträßchen
     von Southwark. Es war kurz vor der Abenddämmerung. Geschäfte und
     Stände waren geschlossen, und die Menschen gingen nach Hause. Die
     Geschäfte des Tages waren getan, und die wilden Nachtfalken von
     Southwark, die wüsten Zecher und Bewohner der Unterwelt, würden
     erst aus ihren Rattenlöchern kommen, wenn es vollends dunkel wäre.
     Bevor sie die breite Hauptstraße überquerten, die zur London
     Bridge führte, blieben sie stehen und sahen zu, wie ein Trupp Ritter
     zu Pferde vorüberzog, strahlend bunt in ihren vielfarbigen Wappenmänteln.
     Mächtige Kriegshelme schwangen an den Sattelhörnern. Knappen und
     Pagen folgten ihnen mit Schilden und Lanzen sowie zwei Reihen von
     staubigen Bogenschützen, die von Southwark zur alten Straße
     nach Süden, nach Dover, marschierten.
    »Jetzt sind viele von
     denen unterwegs«, bemerkte Cranston. »Die Franzosen

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