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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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daß Sir
     John recht hatte. Sie war eine Mörderin und ohne Zweifel auch
     verantwortlich für den gestrigen mörderischen Überfall auf
     den Coroner. Als er Cranston in die Kammer folgte, betete er stumm, daß
     Rosamund und ihr windelweicher Liebhaber in die ihnen gestellte Falle
     gehen möchten, und daß auch Ranulf ihre Erwartungen
     rechtfertigen würde. 
    Schweigend und ernst schaute
     Cranston sich in der Schlafkammer um. Stäubchen tanzten in dem
     Sonnenstrahl, der durch ein Glasfenster hereinfiel. Der Coroner öffnete
     die Läden vor einem zweiten Fenster, nahm einen Schluck aus seinem
     Weinschlauch und erlaubte Ranulf in einem Akt beispielloser Großzügigkeit,
     ebenfalls etwas davon zu trinken.
    »So, mein Junge.«
     Er schlug dem Rattenfänger auf die Schulter. »Wie würde es
     dir gefallen, zum obersten Rattenfänger für die Stadtbezirke
     Castle Baynard, Queenshite und The Vintry ernannt zu werden?«
    Ranulf strahlte vor Freude.
    »Wenn es soweit ist,
     mein Junge, vielleicht. Aber vorher mußt du ein paar Ratten für
     mich finden -vorzugsweise tote.«
    Ranulf nahm Ferox aus seinem
     kleinen Käfig, den er unter dem Mantel getragen hatte. Sofort wich
     Cranston einen Schritt zurück.
    »Du weißt, was
     wir suchen, aber halte dieses verfluchte Biest fern von mir! Mir graut vor
     Frettchen. Ich kannte einen Mann, der einmal eines in seine Hose krabbeln
     ließ. Am Ende war er kastriert!«
    Ranulf grinste und
     streichelte das neugierige Frettchen zwischen den Ohren. Das Frettchen
     starrte Cranston an, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Oh, zum Teufel damit!«
     sagte der Coroner.
    »Sir John, wenn Ihr
     Euch wirklich fürchtet«, meinte Ranulf und deutete auf eine
     kleine Bank, »dann solltet Ihr vielleicht dort hinaufsteigen.«
    Cranston schaute ihn mißtrauisch
     an, aber Ranulf verzog keine Miene.
    »Lord Coroner, diesen
     Rat gebe ich allen meinen nervösen Kunden.«
    »Tut lieber, was er
     sagt«, riet Athelstan lächelnd. »Ihr wißt, wie sehr
     Bonaventura Euch liebt. Ferox hat vielleicht ähnliche Neigungen.«
    Cranston brauchte keine
     zweite Aufforderung; wie ein Riese stand er auf der kleinen Bank, lehnte
     sich mit dem Rücken an die Wand und kräftigte sich mit großen Schlucken aus dem
     wunderbaren Weinschlauch. Ranulf hielt Ferox an seine Lippen und flüsterte
     ihm etwas ins Ohr.
    »Was machst du da?«
     dröhnte Cranston.
    »Ich sage ihm, was er
     tun soll.«
    »Oh, verflucht, sei
     doch nicht albern, Mann!«
    Behutsam setzte Ranulf Ferox
     auf die Bodendielen. Das Frettchen schnüffelte ein paar Augenblicke,
     dann lief es pfeilschnell unter das große, vierpfostige Bett.
     Athelstan trat an den kleinen Tisch und nahm den unverschlossenen Krug in
     die Hand.
    »Darin war der
     Fingerhut, sagt Ihr?«
    Cranston nickte stumm, ohne
     das Bett aus den Augen zu lassen.
    »Und Ihr sagt, er war
     umgestoßen und die Medizin ausgelaufen?«
    »Ja, Bruder, ja, aber
     laß das jetzt! Was treibt dieses verfluchte Frettchen da?«
    Cranstons Frage wurde
     beantwortet. Plötzlich erhob sich ein heftiges Geraschel unter dem
     Bett, und Ferox kam hervor. Seine kleine Schnauze war blutig, und er
     zerrte eine fette, langschwänzige braune Ratte ans Licht.
    »Braver Junge«,
     flüsterte Ranulf.
    »Das verfluchte Biest
     ist genauso blöd wie du, Ranulf!« brüllte Cranston.
     »Er ist nicht hier, um verfluchte Ratten umzubringen, sondern um
     tote zu finden!« Ranulf nahm die tote Ratte, öffnete ein
     Fenster und warf sie auf die Straße.
    Ferox machte sich von neuem
     auf die Suche. Die Zeit verging. Athelstan beobachtete das fleißige
     kleine Frettchen und versuchte, nicht zu Cranston hinüberzuschauen,
     der nach etlichen Schlucken aus seinem Weinschlauch auf seiner Bank
     ziemlich bedrohlich zu schwanken begann. Immer wieder hob
     Ranulf das Frettchen auf und schob es unter Schränke und hinter
     Truhen. Manchmal kehrte das Tier gleich zurück, dann wieder ging ein
     gespenstisches Rascheln los, ein markerschütternder Schrei ertönte,
     und Ferox kam mit einer toten Ratte heraus. Athelstan mußte sich
     abwenden, als Cranston anfing, lautstarke Schmähreden zu führen.
     Einmal klopfte Rosamund an die Tür. Cranston brüllte, sie solle
     abhauen, und befahl seinem »grinsenden Mönch«, wie er
     Athelstan nannte, die Tür zu verriegeln.
    Endlich war Ranulf fertig.
     Ferox kam wieder in seinen Käfig. Cranston kletterte von seiner hohen
     Warte herunter, und alle drei machten sich

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