Der Zorn Gottes
daß Sir
John recht hatte. Sie war eine Mörderin und ohne Zweifel auch
verantwortlich für den gestrigen mörderischen Überfall auf
den Coroner. Als er Cranston in die Kammer folgte, betete er stumm, daß
Rosamund und ihr windelweicher Liebhaber in die ihnen gestellte Falle
gehen möchten, und daß auch Ranulf ihre Erwartungen
rechtfertigen würde.
Schweigend und ernst schaute
Cranston sich in der Schlafkammer um. Stäubchen tanzten in dem
Sonnenstrahl, der durch ein Glasfenster hereinfiel. Der Coroner öffnete
die Läden vor einem zweiten Fenster, nahm einen Schluck aus seinem
Weinschlauch und erlaubte Ranulf in einem Akt beispielloser Großzügigkeit,
ebenfalls etwas davon zu trinken.
»So, mein Junge.«
Er schlug dem Rattenfänger auf die Schulter. »Wie würde es
dir gefallen, zum obersten Rattenfänger für die Stadtbezirke
Castle Baynard, Queenshite und The Vintry ernannt zu werden?«
Ranulf strahlte vor Freude.
»Wenn es soweit ist,
mein Junge, vielleicht. Aber vorher mußt du ein paar Ratten für
mich finden -vorzugsweise tote.«
Ranulf nahm Ferox aus seinem
kleinen Käfig, den er unter dem Mantel getragen hatte. Sofort wich
Cranston einen Schritt zurück.
»Du weißt, was
wir suchen, aber halte dieses verfluchte Biest fern von mir! Mir graut vor
Frettchen. Ich kannte einen Mann, der einmal eines in seine Hose krabbeln
ließ. Am Ende war er kastriert!«
Ranulf grinste und
streichelte das neugierige Frettchen zwischen den Ohren. Das Frettchen
starrte Cranston an, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Oh, zum Teufel damit!«
sagte der Coroner.
»Sir John, wenn Ihr
Euch wirklich fürchtet«, meinte Ranulf und deutete auf eine
kleine Bank, »dann solltet Ihr vielleicht dort hinaufsteigen.«
Cranston schaute ihn mißtrauisch
an, aber Ranulf verzog keine Miene.
»Lord Coroner, diesen
Rat gebe ich allen meinen nervösen Kunden.«
»Tut lieber, was er
sagt«, riet Athelstan lächelnd. »Ihr wißt, wie sehr
Bonaventura Euch liebt. Ferox hat vielleicht ähnliche Neigungen.«
Cranston brauchte keine
zweite Aufforderung; wie ein Riese stand er auf der kleinen Bank, lehnte
sich mit dem Rücken an die Wand und kräftigte sich mit großen Schlucken aus dem
wunderbaren Weinschlauch. Ranulf hielt Ferox an seine Lippen und flüsterte
ihm etwas ins Ohr.
»Was machst du da?«
dröhnte Cranston.
»Ich sage ihm, was er
tun soll.«
»Oh, verflucht, sei
doch nicht albern, Mann!«
Behutsam setzte Ranulf Ferox
auf die Bodendielen. Das Frettchen schnüffelte ein paar Augenblicke,
dann lief es pfeilschnell unter das große, vierpfostige Bett.
Athelstan trat an den kleinen Tisch und nahm den unverschlossenen Krug in
die Hand.
»Darin war der
Fingerhut, sagt Ihr?«
Cranston nickte stumm, ohne
das Bett aus den Augen zu lassen.
»Und Ihr sagt, er war
umgestoßen und die Medizin ausgelaufen?«
»Ja, Bruder, ja, aber
laß das jetzt! Was treibt dieses verfluchte Frettchen da?«
Cranstons Frage wurde
beantwortet. Plötzlich erhob sich ein heftiges Geraschel unter dem
Bett, und Ferox kam hervor. Seine kleine Schnauze war blutig, und er
zerrte eine fette, langschwänzige braune Ratte ans Licht.
»Braver Junge«,
flüsterte Ranulf.
»Das verfluchte Biest
ist genauso blöd wie du, Ranulf!« brüllte Cranston.
»Er ist nicht hier, um verfluchte Ratten umzubringen, sondern um
tote zu finden!« Ranulf nahm die tote Ratte, öffnete ein
Fenster und warf sie auf die Straße.
Ferox machte sich von neuem
auf die Suche. Die Zeit verging. Athelstan beobachtete das fleißige
kleine Frettchen und versuchte, nicht zu Cranston hinüberzuschauen,
der nach etlichen Schlucken aus seinem Weinschlauch auf seiner Bank
ziemlich bedrohlich zu schwanken begann. Immer wieder hob
Ranulf das Frettchen auf und schob es unter Schränke und hinter
Truhen. Manchmal kehrte das Tier gleich zurück, dann wieder ging ein
gespenstisches Rascheln los, ein markerschütternder Schrei ertönte,
und Ferox kam mit einer toten Ratte heraus. Athelstan mußte sich
abwenden, als Cranston anfing, lautstarke Schmähreden zu führen.
Einmal klopfte Rosamund an die Tür. Cranston brüllte, sie solle
abhauen, und befahl seinem »grinsenden Mönch«, wie er
Athelstan nannte, die Tür zu verriegeln.
Endlich war Ranulf fertig.
Ferox kam wieder in seinen Käfig. Cranston kletterte von seiner hohen
Warte herunter, und alle drei machten sich
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