Der Zorn Gottes
Albric.
Rosamund reckte Athelstan ihr
tränennasses, haßerfülltes Antlitz entgegen. »Halt's
Maul, du verfluchter Pfaffe! Du zerlumpter Halbmann! Ich hab's für
dich getan!« zischte sie Albric zu. »Für dich habe ich's
getan!«
Er schüttelte den Kopf.
»Wir sind fertig miteinander«, flüsterte er.
Cranston wandte sich um und
winkte den Diener herbei. »Schnell, geh die Straße hinunter.
In der Schenke zum Mond und Käfig findest du vier Wachsoldaten. Die
bringst du sofort her!«
Der Hausdiener eilte davon.
Athelstan und Cranston gingen zur Haustür und warteten auf die vier
Soldaten der Stadtwache. Cranston erteilte ihnen flüsternd ein paar
Anweisungen, dann ging er mit seinem Gefährten hinaus, während
Rosamunds Zorn sich zur Hysterie steigerte. Rasend vor Wut kreischte sie
Cranston und Athelstan hinterher, als die Soldaten sie und Albric in die
Ketten legten, die sie mitgebracht hatten.
Draußen auf der Straße
blieb Cranston stehen. Seine Augen schwammen in Tränen. »Ich
bringe kein Wort hervor«, sagte er, schüttelte Athelstan und
dann Ranulf förmlich die Hand und wischte sich eine Träne ab.
»Kommt. Bei Olivers Totenmesse war ich nicht dabei, aber zu seinem
Grabtrunk will ich euch einladen.« Er deutete auf Ferox, der jetzt
friedlich in seinem Käfig döste. »Und unser kleiner Freund
hier darf betrunken nach Hause gehen.«
Zehn
Eine Stunde später
taumelte Ranulf ziemlich betrunken - mit einem Frettchen, das nicht minder
beschwipst war - aus der Taverne zum Mond und Käfig hinaus und
murmelte, er müsse jetzt zurück nach Southwark.
Cranston schaute dem Rattenfänger
nach und wurde gefühlvoll.
»Ein feiner Mann,
Bruder. Ich habe deine Gemeinde immer eine Sünderbande genannt, aber
da geht ein prächtiger Mann.«
»Sünder sind wir
alle«, antwortete Athelstan. »Aber weiß Gott, wenn ich
an Mistress Rosamund denke, so ziehe ich doch eine feine Grenze zwischen
denen, die aus Schwäche straucheln, und denen, die aus Bosheit sündigen.«
»Womit wir wieder bei
den Morden im Rathaus wären, was?« trompetete Cranston und
behielt dabei den Reliquienhändler im Auge, der in einer Ecke der
Schankstube seinen unrechtmäßig erworbenen Gewinn verzehrte.
Athelstan berichtete kurz von
seiner Unterredung mit Pike, dem Grabenbauer. Cranston hörte zu,
schmatzte und schnupperte, als würzige Düfte aus der Küche
hereinwehten.
»Pike soll sich
vorsehen«, grollte er dann. »Ein Mann, der mit den Füßen
rechts und links von einer Flamme steht, verbrennt sich leicht die Eier.
Ach, übrigens, da wir gerade von
Gefahren reden: Hat Lady Benedicta dieses kleine Teufelsweib abgeholt?«
»Inzwischen, Sir John,
müßte sie eigentlich wohlbehalten bei den Minoritinnen sein.«
»Schlimme Sache, das«,
murmelte Cranston. »Weißt du, Bruder, in diesem Haus gab es
etwas Böses.«
»Nun, damit ist es aus«,
erklärte Athelstan halbherzig; er mußte Cranston recht geben,
hatte aber wegen des Geschehenen immer noch Gewissensbisse. »Aber zu
dieser Sache im Rathaus …« Er strich mit der Fingerspitze
über den Rand seines Bechers. »Euch ist klar, Sir John, daß
diese Morde anders sind als die, die wir sonst untersucht haben? Ihr wußtet,
daß Sir Oliver ermordet worden war. Jemand im Hause hatte ihn
umgebracht. Das gleiche galt für die anderen Verbrechen, die wir
aufgeklärt haben, sei es der Fall im Hause Springall oder der Mord an
Sir Ralph Whitton im Tower am vergangenen Weihnachtsfest.« Athelstan
redete sich warm. »Wißt Ihr, Sir John, solche Verbrechen haben
ihren Ursprung nicht in bösem Blut, sondern in heißem Blut. Ein
politischer Mord aber ist etwas anderes. Da ist kein persönlicher
Groll im Spiel, keine boshafte Freude angesichts der Vernichtung des
Feindes, sondern reine Zweckmäßigkeit. Und damit haben wir es
jetzt zu tun: Der Tod Mountjoys und Fitzroys wurde kalten Blutes
beschlossen und sollte Lord Gaunts Pläne stören.«
Athelstan rieb sich die
Lippen, und bevor Cranston noch mehr Wein bestellen konnte, schickte er
den Schankburschen wieder weg. »Bedenkt, Sir John, ein Mord ist wie
ein Schachspiel. Man macht einen Zug, und der Gegenspieler macht einen
Zug. Früher oder später begeht einer einen Fehler, oder es eröffnet
sich ein Weg, der zur Wahrheit und zum Ende des Spiels
führt. Aber hier könnte
jeder unser Gegenspieler sein.«
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