Der Zorn Gottes
werfen und um
seine ehrgeizigen Pläne zu blockieren, mit denen er sich bei den
Londoner Kaufleuten Unterstützung holen wollte. Nun, das ist
gelungen, und so wird es keine Morde mehr geben. Zumindest vorläufig
nicht.« Athelstan schwieg für einen Augenblick. »Ich bin
sicher, daß man die Morde Ira Dei zur Last legen kann, habe aber den
Verdacht, daß er nur der Architekt ist. In Gaunts Partei gibt es
einen Verräter und einen Mörder: Goodman oder einer dieser mächtigen
Gildeherren.«
»Warum, Sir John?«
unterbrach Benedicta. »Warum ist der Attentäter dann nicht
gegen Gaunt vorgegangen?«
»Weil der Teufel, den
man kennt, Mylady, besser ist als der, den man nicht kennt. Jemand muß
Regent sein - oder, um es unverblümter zu sagen, es muß einen
geben, dem man die Schuld geben kann. Würde Gaunt beseitigt, käme
einer seiner jüngeren Brüder auf seinen Stuhl. Nein, diese Morde
dienen nur dazu, Gaunt die Flügel zu stutzen.«
»Hat unser Treffen mit
den Gildeherren wegen Sturmeys Privatleben irgendwelche Folgen gehabt?«
fragte Athelstan.
Cranston schüttelte den
Kopf. »Bis jetzt noch nicht.«
»Sir Nicholas Hussey
war ein Kind, als der Skandal sich ereignete?«
»Noch sehr jung«,
antwortete Cranston. »Weiß der Himmel, vielleicht erinnert er
sich an Getuschel; aber nichts in den Akten weist auf seine Beteiligung
hin, nicht einmal als Opfer. Naja.« Er stellte seinen Humpen auf den
Tisch. »Was machen wir jetzt?«
»Abwarten, Sir John,
nachdenken, überlegen. Wie gesagt, die Morde im Rathaus sind keine
Verbrechen aus Leidenschaft, sondern aus kalter Berechnung begangen
worden. Ich bezweifle, daß wir weitere Spuren oder Hinweise
entdecken werden. Wir müssen zusammentragen, was wir wissen, uns der
Logik bedienen, und so die einzig richtige Lösung herausquetschen.«
»Wenn es sie gibt«,
ergänzte Cranston müde.
Das Gespräch versandete.
Cranstons Hochstimmung nach der Verhaftung der beiden Reliquienhändler
wich einer Wolke von Düsternis, und der Coroner versank in dumpfes Brüten.
Benedicta verabschiedete sich; sie hatte genug von Kadavern und
Geheimnissen. Sir John ging mit Athelstan nach Hause, aber Lady Maude
hatte zu tun, und die Kerlchen waren mit ihrer Amme draußen in den
Feldern nördlich von St. Giles. Cranston wurde allmählich unerträglich,
und so ließ Athelstan ihn für eine Weile allein und beschloß,
seine Brüder in Blackfriars zu besuchen.
*
Der Ordensbruder kehrte zurück,
als der Markt in der Cheapside einem frühen Ende entgegenging und die
Leute nach Hause eilten, um sich auf den Sonntag vorzubereiten. Cranston
war ein wenig erfrischt; er schlug ihm auf die Schulter, und sie gingen
wieder ins »Heilige Lamm Gottes«, um sich dort mit Cranstons
Freund und Leibarzt, Theobald de Troyes, zu treffen, den der Coroner am
Nachmittag aufgesucht hatte.
»Seid Ihr sicher, daß
Ihr kommen wollt?« fragte Cranston.
»Sir John, ich stehe
Euch jederzeit zur Verfügung«, antwortete der Arzt. »Weiß
der Priester in St. James Bescheid?«
»Ich habe einen
Konstabier hingeschickt. Es werden Arbeiter da sein, die das Grab öffnen
und Sarah Hobdens Sarg heben.« Sir John leckte sich die Lippen.
»Vielleicht vorher noch etwas zu trinken?«
Aber Athelstan und der Arzt
lehnten schlankweg ab; sie nahmen den widerstrebenden Coroner in die Mitte
und eskortierten ihn von Westchepe über die Watling Street zur
Cordwainer und weiter die Upper Thames Street hinauf bis zu der ziemlich düsteren
Kirche von St. James Garlickhythe. Pfarrer Odo, der Priester dort, ein fröhlicher
Mann mit roter Nase um so röter nach einer üppigen Mahlzeit -,
kam aus dem Pfarrhaus und führte sie auf einen überwucherten
Friedhof, wo drei Arbeiter im kühlen Schatten einer Eibe warteten.
Zunächst herrschte absolute Verwirrung, als Pfarrer Odo das
Friedhofsbuch zu lesen versuchte, um herauszufinden, wo Sarah Hobden
begraben lag.
»Ich finde es nicht«,
murmelte er und schwankte dabei gefährlich.
Athelstan spähte ihm
über die Schulter und sah, daß der betrunkene Pfarrer das Buch
verkehrtherum hielt. Er nahm es ihm aus der Hand.
»Laßt mich
helfen, Pater«, erbot er sich sanft.
Der Ordensbruder warf
Cranston einen trotzfunkelnden Blick zu und warnte ihn damit, ja nicht zu
lachen. Dann setzte er sich auf einen Grabstein und blätterte in den
Seiten, bis er den Eintrag gefunden
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