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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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zugenommen.
    – Die Fülle steht Ihnen gut.
    – Ach, Sie … Na also, jetzt rückt es mal ein Stück.
    – Sagen Sie, gibt es noch Fische in der Tschepza?
    – Das weiß ich nicht. Mit Fischen kenne ich mich nicht
     aus.
    – Sie haben sich in Glasow also mehr auf das
     Schweinefleisch konzentriert.
    – Das kann man wohl sagen! Schön braun gebraten, Knoblauch
     dran, das liebe ich über alles.
    – Mit Kruste?
    – Ja-a! Und außerdem mag es die Tante, Würstchen in
     zerlassenem Speck zu braten, so in der Röhre mit Kartoffeln und Rüben, ich kann
     Ihnen sagen …
    – Ich bitte Sie, hören Sie auf, mir läuft das Wasser im
     Mund zusammen …
    – Aha, wieder ein Stück. Endlich kommt die Riesenschlange
     in Bewegung.
    – Das hat mit Ihrem Erscheinen zu tun. Sie sind die blaue
     Muse dieser Schlange.
    – Und Sie sind ja ein gehöriger Witzbold. Wie hält Ihre
     Frau das bloß aus mit Ihnen?
    – Ich bin Junggeselle.
    – Nicht möglich!
    – Doch, doch.
    – So ein ansehnlicher Mann und unbeweibt? Das kann nicht
     sein.
    – Wir sind seit dem Herbst auseinander.
    – Geschieden?
    – Ja.
    – Ging das schnell?
    – Drei Monate zog es sich hin. Und ohne zu schmieren, wäre
     es gar nicht gegangen.
    – Das kann ich glauben.
    – Jetzt sind wir einander los.
    – Und gibt es Kinder?
    – Die Tochter ist bei der Mutter geblieben.
    – Die fehlt Ihnen gewiss?
    – Dessen können Sie sicher sein. Das ist wie ein Stachel
     im Herzen. Der lässt sich nicht rausziehen.
    – Wissen Sie … Pardon, wie heißen Sie?
    – Trofim.
    – Sehr angenehm, ich heiße Vera.
    – Ein wunderbarer Name. Er passt zu Ihrem Äußeren.
    – Also, mein lieber Trofim, was ich Ihnen sagen wollte,
     ganz im Vertrauen: Ich bin eine ausgesprochene Gegnerin von Scheidungen.
    – Meine Frau hatte einen Geliebten.
    – Das ist natürlich eine große Sünde. Aber Gott lehrt uns,
     wie man seinem Nächsten vergibt. Hat sie denn nicht Buße getan, Ihre ehemalige Frau?
    – Das schon. Sie war extra bei den Starzen in Optino um
     Vergebung bitten.
    – Und Sie? Haben Sie sie bestraft?
    – Ja. Ich habe sie zweimal aufs Revier gebracht.
    – Und da wurde sie ausgepeitscht?
    – Ja.
    – Und das hat Ihnen nicht genügt?
    – Darum geht es nicht, Vera.
    – Worum sonst?
    – Es geht darum, dass … He, Alter, lass das Drängeln!
    – Wer drängelt denn?
    – Na, du.
    – Ich werd von hinten geschoben.
    – Tritt in Gottes Namen einen Schritt zurück und hör auf
     zu drängeln … Also, hochverehrte Frau Vera, hauptsächlich geht es doch darum, dass
     ich meiner Frau nach alledem nicht mehr trauen konnte. Und kurz darauf hab ich mich
     selbst in eine andere verliebt. Daraus wurde zwar nichts. Doch eine Beziehung mit
     meiner Frau war nach alledem gar nicht mehr denkbar.
    – Sie hatten sich gänzlich entfremdet, ja?
    – So war es.
    – Entfremdung ist Sünde.
    – Das weiß ich. Aber wir schliefen zuletzt nur noch
     getrennt.
    – Und Ihr geistiger Vater? Ich meine, konnte der Ihnen
     nicht helfen, die Familie zu retten?
    – Seine Güte kennt so gar keine Grenzen. Er hat meiner
     Frau Kniefälle auferlegt, ließ sie barfuß auf Hirsekörnern stehen, aber … ich
     glaube, er hat meine Frau nicht sehr heftig gegeißelt. Er ist von Natur aus so
     unendlich gut, seine Güte baut auf christlicher Tugendschönheit, ist ganz von ihr
     durchdrungen und zugerichtet. Es gebe keine Sünde, die der Herrgott nicht zu
     vergeben imstande sei, so sagt er immer.
    – So ist es.
    – Wenn meine Frau ihre Sünde in der Klause von Optina
     gesühnt hat, sei ihr also vergeben, ja?
    – Jawohl.
    – Aber ich kann
     ihr nun mal nicht vergeben.
    – Damit sündigen Sie.
    – Wohl wahr. Das hilft aber alles nichts. Ich kann nicht.
    – Soll ich Ihnen was sagen, Trofim? Mir scheint, Sie haben
     Ihre Frau einfach zu wenig gezüchtigt.
    – Ich bin kein Freund von Auspeitschungen.
    – Sie hätten Ihre Frau nicht aufs Polizeirevier führen dürfen und
     fremder Peitsche ausliefern, Sie hätten sie eigenhändig züchtigen sollen, so wie es
     sich ziemt. Mein Mann führt mich nie dorthin.
    – Er züchtigt sie oft?
    – Einmal die Woche. Immer samstags.
    – Das ist nicht gerade wenig. Gibt es Gründe dafür?
    – Ach wissen Sie … Eine Sünde findet sich immer. Aber
     nein, unter uns gesagt: Es gibt Gründe …
    – Hoho! Sie sind ja sehr offenherzig!
    – Sünde schmeckt süß, wie man sagt. Ich bin eine schwache
     Frau, und der Satan weiß seine Netze geschickt zu

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