Der Zuckerkreml
der Zuckerkreml.
Verschiedentlich im Kneipenqualm auf- und wieder
abtauchend: ein gewisser Purgenjan, angeblich ein berühmter Puper und
Backenaufbläser in Staatsangelegenheiten; Sjuga und Schirja, zwei Nöler, die sich
gegenseitigDörrfisch um die Ohren hauen; Revierpolizist Klauber,
der sein gezinktes Kartenspiel schmatzen lässt; Zirkusartisten, nippend am »Kwas mit
Gas«; das Bärchen, was ein Hufeisenverbieger vor dem Herrn ist, und der schwarze Zauberer Pu I Tin und der runde Hausmeister Luschkowez mit seinem
kollernden Lachen und der süße Trauerkloß
Grischka Wez mit traurigem Nicken.
Mit einem Mordsgezeter kommt jetzt die Parchanowna
hereingegackert, stadtbekannte Klatschbase: pausbäckig, krummbeinig, kartoffelnasig,
die Specklocken wippend über der pickligen Stirn, auf der Brust eine leuchtende
Juri-Gagarin-Ikone und am Gürtel eine vergoldete Eule. Die Parchanowna postiert sich
inmitten der Kneipe, bekreuzigt sich mit beiden Händen und brüllt aus Leibeskräften:
»Das sechste Imperium! Das sechste Imperium!«
»Komm und iss was!«, besänftigen sie die Handwerker.
Im sogenannten Grollwinkel, wo die von der Opritschnina
ausgeräucherten »Bürgerlichen« sitzen, sorgt Muchalkos Sippe für Aufsehen:
Balalaikaspieler allesamt, flink im Kopf und auf den Beinen, die die Leute zu
unterhalten und ihnen Geld aus der Tasche zu ziehen wissen. Sie sollen früher einmal
zur Narrengilde des Kreml gehört haben und seien wegen irgendetwas rausgekickt
worden, heißt es. Der Vorsänger, Butterbärtchen geheißen, ist hübsch von Angesicht
und gut bei Stimme, begabt auch im Tanzen und Springen und, was die Hauptsache ist,
mit einem Repertoire an zu Herzen gehenden Liedern, die kein Auge trocken lassen.
Solches weiß unser Volk zu schätzen. So hat sich Butterbärtchen auch heute wieder an
die Ausgeräucherten rangemacht. Ein bisschen Balalaikageklimper, einmal
zwischendurch auf den Schenkel geklatscht und mit dem Fuß aufgestampft, schon nickt
er seinen munteren Gespielen zu, und man schmettert im Chor:
Wie die Filzlaus ins Luther’sche Gotteshaus,
Wie der Hamster ins reifende Korn,
Findt das adlige Schoßkind,
Wenn die Eltern bei Trost sind,
Auf des Pritschniks o hitzigen Sporn.
So manch frühreifen Rock lockt der Knotenstock
Des Opritschniks ins edle Kastell,
Wo mit niedlichen Fingern
Jungfern ihren Bezwingern
Killekitzeln das brührote Fell.
Und mit Mut, stiller Glut, wie das Schicksal es will,
züngelt flugs sich pfahlaufwärts die Maid.
Auf den Pfaden des Triebes,
So dein Leben dir lieb ist,
Wandle, Jungfer, mit Gottes Geleit!
Den Aufruhr zwischen den Zeilen wissen die gedemütigten
Bürger zu schätzen; munter klingelt das Kupfer in Butterbärtchens Mütze.
»Habt Dank, ihr Guten, Gott mög es euch lohnen, ihr
Lieben!«, dankt Butterbärtchen ergriffen und drückt sich eine Träne ab.
Aber nicht zu allen Eindringlingen sind die Stammgäste in
Mamons Lokal mild und gewogen.
Eben springt die Tür auf, und herein kommt ein kleiner,
unrasierter Mann mit roten Augen und gehässigem Blick: Levonti, Schaumschläger
sondergleichen.
»Seid gegrüßt, trotz alledem!«, krächzt er.
»Trotz alledem, verpiss dich«, tönt die Antwort.
Zähneknirschend macht Levonti kehrt und trollt sich, seine
Äuglein schleudern rote Blitze. Nicht jeder ist gern gesehen im Glücklichen
Moskowien, o nein!
Hat die lebende Uhr erst Mitternacht geschlagen, lässt endlich
auch Mamon sich blicken. Er ist klein und rundlich, mit Vollbart, Glatze und
Schielaugen. Der Hausherr verbeugt sich vor seinen Gästen, entbietet ihnen seinen
Gruß, bevor er eine betuliche Runde durch das Lokal antritt und die gleiche Frage
wie immer stellt:
»Alles zum Besten, wertes Publikum?«
»Alles zum Besten, Abram Iwanowitsch!«, erwidern die Gäste
im Chor.
»Keiner schlägt über die Stränge?«
»Das erlauben wir nicht, Abram Iwanowitsch!«
»Keiner tritt dem anderen zu nahe?«
»Das lassen wir nicht zu, Abram Iwanowitsch!«
Dann nickt der alte Mamon, kneift listig die Augen
zusammen und geht wieder. Derweil das Glückliche
Moskowien noch weiter säuft, lärmt und brodelt bis drei in der Früh. Hat
die Uhr indes drei geschlagen, werden die Gäste von den Kellnern abkassiert. Worauf
diese das Feld räumen und den breitschultrigen inguschetischen Rausschmeißern das
Geschäft überlassen, die das angeheiterte Publikum mit Hilfe elektrischer Besen
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