Der Zuckerkreml
werfen.
– Das ist bekanntlich so. Wo keine Sünde ist, gibt es
nichts zu bereuen.
– Wohl wahr!
– Aber, ehrlich gesagt, einmal pro Woche … das kommt mir
schon ein bisschen viel vor!
– Ist nicht weiter schlimm. Gewohnheitssache.
– Ihr Körper, mit Verlaub, ist der es auch gewohnt?
– Ich bin hart im Nehmen. Und es gibt ja auch gute
Mittelchen. Salben …
– Sie verübeln es ihm nicht?
– Wie sollte ich! Er schlägt mich, das heißt doch, er
liebt mich! Außerdem ist er ja keiner von denen, die besoffen drauflosprügeln. Er
züchtigt mit der Rute – ganz wie es das alte russische Brauchtum vorschreibt. Meine
liebe alte Mutter beneidet mich darob: In den wirren Zeiten ihrer Jugend war es
untersagt, sein Weib zu züchtigen, denn damals war Russland von Gott verlassen.
Hätte dein seliger Vater mich damals allsamstäglich ausgepeitscht, lebten wir heute
in einem Haus mit drei Etagen, spricht sie.
– Nein, im Grunde bin ich ja auch nicht gegen die
Züchtigung, aber es will alles gut bedacht sein …
– Am besten ist, man handelt, wie es geschrieben steht, mein
lieber Trofim. Wir Weiber haben uns unseren Männern unterzuordnen. Mein Mann ist
einer von den gründlichen, bedachtsamen. Er weiß Maß zu halten. Und genauso züchtigt
er auch: rechtens und ohne Hast.
– So, so … Ich bin erstaunt über Sie, Vera.
– Wieso? Weil mein lieber Mann mich nicht zum Büttel aufs
Revier schleppt? Das finde nun wieder ich verwunderlich. Oho, jetzt geht’s aber
wirklich ordentlich voran. Wird ja auch Zeit! So könnte ich es noch bis zur
Mittagspause schaffen.
– Das schaffen wir. Wenn Sie dabei sind, geht alles glatt.
Apropos, wie angenehm glatt dieser Pelz ist … Lebendgebärende Pelze sind eben doch
was Besonderes.
– Gefällt er Ihnen? Streicheln Sie ihn nur, das behagt ihm
auch.
– So zart …
– Sehen Sie, er mag Sie.
– Mir kommt es so vor, als wären wir zwei schon eine
Ewigkeit befreundet …
– Sagen Sie bloß!
– Lachen Sie mich nicht aus!
– Ich lache Sie nicht aus. Ich freue mich einfach.
– Bestimmt habe ich Sie schon mal getroffen. Wo arbeiten
Sie?
– Bei Dobrynja.
– Als Schöpferin?
– Nein, als Ausführende.
– An den schlauen Maschinen?
– Genau. Den lieben Schlauen!
– Nie hätte ich gedacht, dass so eine schöne Frau sich mit
den schlauen Dingern abgibt.
– Sie hatten wohl eine Hausfrau in mir vermutet? Nein, mit
Kochlöffel und Feuerhaken habe ich es nicht so.
– Und wer steht bei Ihnen zu Hause am Herd?
– Da stehen sie zu mehreren. Die Mutter, die zwei
Großmütter und eine Köchin. Und sonntags hilft das Gesinde.
– Schön, wenn man seine Verwandten noch hat.
– Sie wohl nicht?
– Mein Vater ist in Abchasien umgekommen, von einer
georgischen Kugel getroffen, da war ich noch ein Kind. Und meine Mutter ist mit
einem Chinesen durchgebrannt.
– Und hat Sie sitzen lassen?
– So ungefähr. Ich bin im Haus der Großmutter aufgewachsen
und zum Manne geworden.
– Die war sicher nicht sehr streng zu Ihnen?
– Nicht gar zu sehr. Aber Strafen setzte es bei ihr auch.
Sie konnte kräftig zuschlagen.
– Sie armes Waisenkind!
– Eigentlich bin ich ein fröhlicher Mensch.
– Das war bereits zu merken.
– Vera, wir sind gleich dran. Neun Leute nur noch vor uns!
Die Zeit verging mit Ihnen wie im Fluge!
– Sagen Sie, kaufen Sie das Kremlstückwerk eigentlich für
Ihr Töchterlein?
– Natürlich! Und Sie?
– Für meine Kinder.
– Sie haben …
– Drei.
– Das ist ja wunderbar. Anscheinend haben Sie einen
begüterten Gatten. Das sieht man schon an dem Mantel.
– Nein, arm sind wir gottlob nicht. Mein Gemahl ist
Kaufmann.
– Womit handelt er?
– Winters mit Kunstlicht und sommers mit Tretrollern.
– Ein einträgliches Geschäft.
– Man kann nicht klagen. Und Sie, womit verdienen Sie Ihr
täglich Brot?
– Das erraten Sie nie.
– Kein Geschäftsmann, sondern Staatsdiener, denke ich mir.
– Weder noch.
– Ein Mann der Kirche also?
– Auch das nicht.
– Pächter?
– Nein.
– Fronbauer?
– Weit gefehlt!
– Etwa Schmarotzer?
– Sie denken schlecht über mich.
– Leiharbeiter?
– Vielen Dank, das fehlte noch!
– Söldner?
– Ich tu keinem was zuleide.
– Zeitverpflichtet?
– Gott bewahre.
– Bei Ihnen denkt man sich Knoten ins Hirn … Abgebrannt?
– Einstweilen nicht.
– Ja, was sind Sie dann?
– Ich bin Wunderheiler.
– Oh,
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