Der zugeteilte Rentner (German Edition)
beide.“
Finn schwankte von einem Bein aufs andere, er musterte Maximilian, wie dieser sich an den Türrahmen lehnte und sich dabei am Gesäß kratzte. Dadurch entstand eine Lücke im Türrahmen, die Finn nutzen wollte, um in die Wohnung zu kommen. Doch bevor er den ersten Schritt wagte, stand der Dackel vor ihm und knurrte ihn an. Er fuchtelte zwar mit den Händen, um den Dackel zu vertreiben, aber dieser ließ sich nicht einschüchtern.
„Clara!“, rief er. „Clara!“
Doch sie blieb fern.
„Wer sind Sie? Sind Sie ein Verwandter?“, fuhr er fort und versuchte einen Blick in die Wohnung zu erhaschen. Irgendwo musste sie doch stecken.
„Sagen wir’s einfach mal so: Wir leben zusammen und teilen alles – bringen Sie eigentlich jeden Morgen Brötchen?“
Doch Finn hörte ihm nicht zu. Seine Augen füllten sich mit Wasser und reflektierten immer stärker das Licht. Er musterte Maximilian: die wild abstehenden Haare, die Shorts, die faltige Haut; dann schüttelte er den Kopf, schluckte einmal und trottete mit seiner Tasche zum Aufzug zurück. Maximilian schaute ihm nach. Mehrmals drehte Finn sich um und immer, wenn er Maximilian erblickte, schüttelte er den Kopf. Dann stieg er in den Aufzug und verabschiedete sich mit einem Poltern.
Kaum hatte Maximilian die Wohnungstür geschlossen, stand Clara im Raum: dick eingehüllt in eine Mischung aus Elementen verschiedener Jogging-Anzüge, das Ganze umschlossen von einem rosa Bademantel in Plüsch, ein menschliches Sushi sozusagen. Auf dem Kopf trug sie ihre Pudelmütze vom letzten Winter. Während sie sich eine Apfel-Schorle mischte, um ihre tägliche Anti-Aging-Pille zu nehmen, hüpfte sie von einem Bein aufs andere, um Wärme zu erzeugen. Als sie erkannte, dass der Rentner nur in Shorts vor ihr stand, wandte sie sich ab und verdrehte die Augen.
„Himmel! Ziehen sie sich an!“
Maximilian schlich zur Couch zurück und wickelte die Decke um sich. Jetzt sah er wie ein alter Indianer aus, nur die Brötchentüte in seinen Händen trübte diesen Eindruck etwas.
„Sie waren weg?“
Mit diesen Worten nahm sie ihm die Tüte ab, öffnete sie und zählte nach: Zwei Mohn, zwei Kürbiskern, zwei Normale, eine Brezel und ein Apfeltörtchen. Doch etwas stimmte nicht. Wenn er Brötchen geholt hatte, warum stand er immer noch in Shorts vor ihr? Und bis zum nächsten Becker brauchte man mindestens eine halbe Stunde. Außerdem gab es nur eine Person, die Apfeltörtchen aß – Finn.
„Sie haben gar keine Brötchen geholt, oder? Wo haben Sie die Brötchen her?“
Maximilian zog den Kopf wie eine Schildkröte ein und wurde dadurch noch kleiner, dann trippelte er zur Couch zurück und setzte sich in die hintere Ecke.
„Da war so ein junger Typ, der zu Ihnen wollte.“
„Wer?“
„So ein bleichgesichtiger junger Typ mit dicken Backen und einer großen Tasche!“
„Finn war hier? Wann ist er weg?“
„Ich glaube, er hat da irgendwas missverstanden.“
Clara schoss das Blut in den Kopf. Ihre Fäuste krallten sich zusammen und sie stampfte mit den Füßen auf den Boden. Aber außer einem zähneknirschenden Geräusch, gefolgt von einem heruntergeschluckten „Ahhh“, schwieg sie. Stattdessen lief sie in ihr Zimmer, suchte nach ein paar Schuhen und rannte kurz darauf mit dem Schlüssel in der Hand aus der Wohnung. Nur Maximilian und sein Hund blieben zurück.
Zuständigkeit
Clara war kurz davor Maximilian aus der Wohnung zu werfen, Zeit für ihn das zu ändern. Aber wie? Sein Plan: ein wenig in der Wohnung aufräumen, putzen und eine Kleinigkeit kochen. Extra hierfür lud er ein Rezept aus dem Internet herunter. Wenn sie erst einmal sähe, wie nützlich er sich erwiese, würde sie ihn gar nicht mehr gehen lassen. Außerdem war er ein absolut netter Kerl. Und das musste er ihr zeigen.
Zuerst kamen die Teller dran. Ein bisschen heißes Wasser, etwas Spüli, dann die Gläser und schließlich das Besteck. Da überall Kleidungsstücke herumlagen, sammelte er sie einfach ein, bügelte, faltete und legte sie in den Schrank. Dann suchte er nach alten Zeitschriften und warf sie anschließend in den Müll. Die vielen Medizinbücher auf dem Boden sammelte er ebenfalls ein und stellte sie neu geordnet ins Regal. Nebenbei setzte er eine Suppe auf: viel Wasser, altes Gemüse aus dem Kühlschrank, etwas Butter, trockener Käse und etwas klein geschnittenen Speck, den er für den Notfall in seinem Koffer aufbewahrte. Nach ungefähr fünf Minuten Hausarbeit wurde es langweilig. So viel Dreck
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