Der zugeteilte Rentner (German Edition)
nicht?“
„Er war so nett und irgendwie erinnert er mich an meinen Opa!“
„Was?“
Schlimm genug, dass Maximilian ihre Nerven strapazierte, doch jetzt schlug sich Svend noch auf seine Seite. Die beiden freundeten sich an und die einzige Person, die jetzt noch ihre Meinung teilte, war ihr Ex-Freund. Alle anderen fanden ihn auf Anhieb außergewöhnlich, charmant, interessant, belebend und manchmal sogar inspirierend. Übersah sie etwas? Warum war sie die einzige, die das nicht erkannte? Lag es einfach nur an ihr? Vielleicht musste sie ihm anders begegnen, netter zu ihm sein. Aber dann erinnerte sie sich daran, was er bereits alles in ihrer Wohnung angestellt hatte. Maximilian verkörperte das Böse in der Nachbarschaft, er war der lebende Beweis, dass man am besten die Türen geschlossen hielt. Niemals aufmachen, wenn man nicht wusste, wer es war. Sie machte einen Fehler, sie ließ ihn in ihr Leben. Und nur sie erkannte, was wirklich hinter seiner Fassade steckte. Alle anderen sahen nur einen goldigen, knuffigen Opa.
Sie warf einen Blick aus ihrem Zimmer und schaute nach Maximilian. Doch dieser lag noch tiefer in der Couch und schlief. Er hielt die Fernbedienung sogar in der Hand, bereit, jeden Augenblick das Programm zu wechseln. Sein Kinn hing etwas nach unten, der Mund öffnete sich immer mehr und verlieh ihm das liebenswerte Gesicht eines Kindes während des Mittagsschlafes.
Clara schlug die Tür gegen die Wand. Maximilian erschreckte, räusperte sich, schluckte, blickte sie an und tat so, als würde er noch immer fernsehen.
„Tschuldigung! Hab ich Sie geweckt!“
„Ich? Ich hab nur nachgedacht!“
Nachgedacht nannte er das, wenn er urplötzlich von einer Sekunde zur anderen aus seinem Körper sackte, alle Viere von sich streckte und schnarchte. Maximilian saß wieder aufrecht vor dem Fernseher, winkte ihr zu und lächelte sie dabei an.
Svend schwieg einfach, er ließ den Kopf hängen, packte seinen Koffer, verstaute seine Schlagbohrmaschine und trottete zur Tür.
„Ich muss jetzt gehen.“
„Bitte geh nicht, du kannst gern noch bleiben“, meinte Maximilian.
„Ich muss, es ist schon spät.“
„Rufst du mich an?“
„Ich weiß nicht …“
Maximilian schaute ihm nach, die passenden Abschiedsworte fehlten. Vor ein paar Minuten scherzten sie noch herum, tranken zusammen und jetzt: Clara machte alles zunichte.
„Toll, ich darf nicht mal Freunde haben!“
Sie versuchte ruhig zu bleiben, richtete ihre Haare, die wild vom Kopf abstanden und ging dann mit einem verzerrten Lächeln ins Wohnzimmer. Nur nicht aufregen. Tief durchatmen. Angehende Ärzte blieben immer Herr der Lage.
„Sie können Freunde haben – in Ihrer eigenen Wohnung. Außerdem verstehen Sie das nicht.“
„Ich versteh das wohl, Sie machen alles kaputt, wir haben uns so gut verstanden, aber nein, Sie müssen ja alles kaputt machen. Vielen Dank.“
Clara wollte ihm das erklären, aber was hätte sie sagen sollen?
„Gehen Sie doch mit ihm mit! Packen Sie ihre Sachen!“
„Wieso sollte ich?“
„Sie machen hier sowieso alles kaputt! Am besten ziehen Sie gleich zu einem Handwerker!“
„Ich bin der einzige, der Ordnung in diesen Haushalt bringt!“
„Da kann ich nur lachen!“
„Nein! Da kann ich nur lachen: Ha, ha!“
Ihr Streitgespräch wurde von einem nachbarschaftlichen Klopfen aus der oberen Etage unterbrochen. Tomm, tomm, tomm. Es bekam sogar einen Rhythmus: tomm-tomm, tomm.
„Lachen Sie doch, wo Sie wollen, bald sitzen Sie sowieso auf der Straße. Und dann lache ich: Ha, ha!“
Maximilian schwieg. Noch einmal klopfte es aus der oberen Wohnung. Doch keiner der beiden reagierte. Dem alten Mann fehlten die Worte, seine Lippen zitterten, so als suchte er nach der passenden Antwort, doch stattdessen biss er die Zähne zusammen und drehte sich dem Fernseher zu.
„Zicke!“
In dem Augenblick fiel ihr auf, dass Maximilian mit seinem Hintern zur Hälfte auf ihrer Zeitung saß.
„Sie sitzen übrigens auf meiner Zeitung!“
Doch Maximilian verschränkte nur die Arme und schaute in Richtung Fernseher.
„Kann schon sein!“
„Würden Sie mir die Zeitung vielleicht geben? Sie zerknittern sie!“
„Nein!“
„Ich würde die aber gern mit in mein Zimmer nehmen und sie lesen.“
„Ich hab sie noch nicht durch!“
„Himmel, Sie bekommen sie doch wieder. Geben Sie die Zeitung endlich her.“
Clara zögerte nicht lang und griff sich die Zeitung und versuchte, sie unter Maximilian wegzuziehen. Doch der alte Mann war schneller, er hielt sie
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