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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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fest. Sofort begann ein Tauziehen um das Papier. Hin und her. Für einen alten, gebrechlichen Mann entwickelte er außerordentliche Kräfte. Er kämpfte um jeden Artikel, ließ nicht locker, lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht nach hinten und hatte schon fast den Kampf gewonnen, als sich die Zeitung plötzlich teilte und Feuilleton und Politik für immer auseinander gerissen wurden. Clara und Maximilian schauten sich an. Zuerst Schweigen. Dann Wut.
„Das wollte ich noch lesen!“, brüllte Maximilian und im gleichen Augenblick packte er die Zeitung und begann wie ein Irrer die Reste der Zeitung zu zerreißen.
„So! Das haben Sie nun davon! Zufrieden?“
Mit diesen Worten schmetterte er ihr die Überbleibsel der Zeitung vor die Füße. Ein Haufen kleiner und größerer Schnipsel segelte durch die Luft und landete schließlich auf dem Boden.
„Himmel! Sie ticken doch nicht mehr richtig! Ziehen Sie endlich aus!“
Clara wollte ihn nur noch weg haben. Ganz gleich, wohin. Und wenn er im Regen stand. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren stampfte sie in ihr Zimmer und knallte die Tür zu.
Maximilian zitterte am ganzen Körper. Für gewöhnlich regte er sich nie auf. Es gab nur wenig, was ihn aus der Ruhe brachte, aber Clara gehörte dazu. Er musste jetzt etwas klar stellen, sie konnte so nicht mit ihm umspringen, Handeln war gefragt. Einfach mal die Meinung sagen und auf den Tisch hauen, schließlich wohnte er hier und das bedeutete: Er besaß Rechte.
Maximilian schwang sich vom Sofa auf, marschierte zu Claras Tür, öffnete, ohne zu klopfen – und Clara schrie. Sie war nackt, hüpfte durch ihr Zimmer und suchte verzweifelt nach einem Kleidungsstück, das wenigstens einen Teil ihres Körpers bedeckte. Maximilian hätte sich umdrehen und weggehen können, doch stattdessen stand er festgefroren auf einer Stelle und beobachtete das Kreischen, Quietschen und Hüpfen, bis sie letztendlich die Tür packte und sie so schnell vor seiner Nase zuschlug, dass sie ihn an der Stirn traf. Er taumelte ein paar Meter nach hinten, dann einen nach vorne und schwankte schließlich auf der Stelle. Vielleicht hätte er doch klopfen sollen, jetzt schämte er sich; und dennoch war er sauer auf sie. Warum knallte sie die Tür so zu? Sie hätte ihn verletzen können oder den Dackel einklemmen. Erst einmal vom Schreck erholen. Die Couch hieß ihn willkommen, als einzige in diesem Haushalt. Während er dasaß und schmollte, schlief er schließlich ein.

Als er erwachte, wusste er zuerst gar nicht, wie lange er geschlafen hatte. Waren es nur ein paar Minuten oder gar ein paar Stunden? Draußen herrschte die Dunkelheit der Nacht, so lange konnte es also nicht gewesen sein.
Maximilian stand auf und schlich zu Claras Zimmer. Von drinnen erklangen keine Geräusche. Er klopfte, aber niemand antwortete. Er wartete. Dann hatte er keine Lust mehr, sich länger zu gedulden und öffnete langsam die Tür.
„Sind Sie nackt?“
Doch wieder nichts. Clara lag im Pyjama auf dem Mount Everest der Medizinbücher und rührte sich nicht. Doch so sollte sie ihm nicht entkommen, noch einmal setzte er an, sie mit seiner Stimme aus den Träumen zu reißen, doch beließ es bei einem Seufzer. Sie lag ausgestreckt vor ihm. Der Kopf neigte nach hinten, der Mund stand etwas offen, die Haare standen ab. Irgendwie sah sie auf diese Weise gleichzeitig süß aus – und blöd.
Maximilian nahm schließlich die Decke, die sich auf dem Bett befand und legte diese über sie, sonst holte sie sich wohlmöglich noch eine Erkältung. Am Morgen konnte er sie immer noch anschreien.

Kinderzuschuss
    Obwohl sie rechtzeitig aufstand, blieb ihr wenig Zeit, um die Haare zu föhnen, sich zu schminken, ein paar Hosen zu finden, die Nägel zu feilen und die Bücher rauszusuchen, die sie seit zwei Wochen der Bücherei zurückgeben musste. Noch schlimmer: Ihre Schlüssel waren weg. Sie steckten nicht unter dem Bett, lagen nicht unter ihren Klamotten, hingen nicht an der Tür und befanden sich auch nicht im Kühlschrank.
„Bringen sie mir Tee oder Brombeermarmelade mit?“
„Was?“
Ein LKW donnerte gerade auf der Straße vorbei.
„Tee oder Brombeermarmelade?“
Für Clara stellte sich die Frage nicht. Maximilian bekam weder Tee, noch Brombeermarmelade. Nur weil er ein paar Tage bei ihr wohnte, besaß er noch keine Lebensmittelrechte. Vermutlich steckte er hinter ihrem Schlüsselverlust – zumindest musste er einen seiner illegalen Ersatzschlüssel rausrücken. Dann machte sie sich auf den

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