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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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Frau lächelte. Nicht eins von diesen „Ha-ha-jetzt-haben-wir-ihn“- oder eins von diesen gemeinen „Jetzt-erlebt-der-was“-Lächeln, es war vielmehr ein mitleidiger Gesichtsausdruck, der sich an sie persönlich richtete. Claras Magen zog sich zusammen. Vielleicht machte sie einen Fehler.
„Ich möchte diesen Mann melden. Er hat behauptet, er wäre mir zugeteilt worden.“
Sie ging einen Schritt auf die Dame zu, überreichte ihr den Steckbrief und entfernte sich ein Stück.
„Ich weiß, wo sie ihn finden.“
Die Frau winkte Clara herein, tippelte zu ihrem Schreibtisch und setzte sich hin. Dann nahm sie einen Stift aus einer Box, anschließend einen grau-recycelten Zettel.
„Die Adresse!“
„Fortunaplatz 2. Bei Januszewski!“
„Wir werden uns darum kümmern.“
Clara wartete auf ein paar freundliche Worte, irgendwas, dass man Menschen wie sie in diesem Land bräuchte, ein kleiner Schulterklaps, etwas Aufbauendes. Doch die Frau sah selbst so aus, als wartete sie auf eine Bestätigung.
„Was hat er eigentlich angestellt?“
„Bitte?“
„Maximilian Uhland! Weswegen wird er gesucht?“
„Ist aus dem Altenheim geflohen.“
„Mehr nicht? Er hat niemanden bestohlen oder umgebracht?“
„Nein!“
„Oder vielleicht ein Auto geklaut?“
„Nicht, dass wir wüssten!“, erwiderte die Dame etwas lauter. „Er ist nur ein flüchtender Rentner. Eine reine Ordnungswidrigkeit. Auf Wiedersehen!“
Damit beendete Frau Aschenbach das Gespräch und blickte auf einen fast leeren Zettel. Doch darauf gab es nichts zu lesen, vielleicht machte sie es nur, um sie nicht ansehen zu müssen.

Rentenversicherungsbericht
    Clara rettete sich in ihre Wohnung, knallte die Tür zu und machte den Riegel davor. Drei wütende Nachbarinnen jagten sie. Als herauskam, dass die neue Hausordnung gefälscht war, konzentrierte sich der Ärger auf alle Nichttierbesitzer. Wer nicht vorwies, dass er mindestens einen Goldfisch besaß, erhielt eine Strafe. So oder so erwischten sie den Verantwortlichen. Da bei fast jedem im Haus ein Tier lebte – was sie nicht geahnt hatte – begrenzte sich der Kreis der Verdächtigen auf ein paar Wenige. Am Ende blieben nur fünf Personen, die in Frage kamen, zwei davon lagen bereits seit Wochen tot in ihrer Wohnung, da waren es noch drei – und eine davon Clara.
„Kommen Sie raus!“
Obwohl es sich bei den Angreifern um drei Frauen handelte, die mindestens auf die sechzig zugingen, überraschte ihr Eifer mit dem sie sich gegen das Holz warfen. Ihre Wut verlieh ihnen Kräfte, die sogar Wände erzitterten. Clara stemmte sich sicherheitshalber gegen die Tür.
„Hören Sie auf!“
„Wir kriegen Sie noch!“ kreischte eine der Frauen und trommelte gegen das Holz.
Was für Möglichkeiten gab es für sie, weiterhin in diesem Haus zu leben? Sobald sie sich heraustraute, erwischte einer der Nachbarn sie. Und das alles nur wegen einem kleinen Zettel.
„Ich bin die Falsche!“ brüllte Clara und drückte weiter gegen die Tür. „Hören sie endlich auf!“
Doch die Nachbarinnen dachten gar nicht daran, stattdessen erhöhten sie ihre Lautstärke.
Maximilian saß währenddessen auf der Couch und beobachtete das Geschehen. Er hätte ihr helfen können, doch er trank lieber in Ruhe einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück. Ihr kam es fast vor, als würde er die Situation genießen – wie er sie mit seinen Augen beobachtete, wie ein Wissenschaftler die Ratte in seinem Labor. Doch plötzlich stand er auf und marschierte zur Tür.
Der erste Gedanke: Maximilian wollte den Nachbarinnen helfen, sie einfach rein lassen, damit sie in Ruhe über sie herfallen könnten.
„Ich mach das!“, brummte er nur kurz und wollte die Tür aufschließen.
Clara stemmte sich noch immer dagegen. Sollte sie bleiben oder einfach weggehen? Maximilian sah durch sie hindurch, als existierte sie überhaupt nicht, als wäre er allein in diesem Raum. Bleiben oder weggehen? Bleiben oder weggehen? Erst als Maximilian sie anlächelte, gab sie auf und machte den Weg frei. Sollten man sie doch verprügeln, früher oder später erwischte man sie sowieso, es war ihr gleich.
Maximilian öffnete und überraschte die drei Frauen. Sie starrten ihn zuerst an, dann schauten sie an ihm vorbei und suchten die Wohnung nach Clara ab.
„Wo ist sie?“ zischte eine ältere Frau mit russischem Akzent. „Versteckt sie sich?“
„Sie soll rauskommen und sich zeigen!“ fügte eine andere hinzu, die nach Aussehen und Dialekt aus dem eurasischen Raum stammte.
„Es

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