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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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sagen. Was hätte sie auch erwidern sollen? Maximilian betrog sie und am Ende tat sie es ihm gleich. Sie schuldeten sich nichts – nichts verband sie – keine Verpflichtung ihm gegenüber.
„Ist er da?“
Nicht nur, dass Maximilian ihr fast eine Woche auf der Tasche lag und ihre Wohnung besetzte, er war auch ein Betrüger. Kein netter, alter Mann, der vom bösen Staat zugeteilt wurde. Kein Opfer, er war ein Täter. Mit Lügen schlich er sich ein, kein Wunder, dass sie und Finn nicht zusammenfanden. Wer wusste schon, was für Märchen er ihm erzählt hatte?
„Können wir ihn mitnehmen?“
Maximilian stand im Wohnzimmer hinter der Tür und hielt seinen Koffer. Er musste gehen. Keine Ausrede half ihm da heraus. Selbst sein mitleidiger Blick, den er in all den Jahren perfektioniert hatte, erwies sich machtlos gegen die Regeln der Bürokratie. Clara sah ihn an und Maximilian nickte ihr zu. Er war bereit.
„Was passiert denn mit ihm?“
„Er kommt zurück in sein Heim.“
„Wird es ihm dort gut gehen?“
Aschenbach schaute sie an, zuerst wollte sie lächeln, doch sie schluckte es lieber herunter.
„Möglich!“
„Möglich?“
„Ich sage es mal anders: Es gibt bessere Orte, an denen man sein Lebensalter verbringen könnte.“
Clara zögerte. Die Frau war ihr unsympathisch, so steril, so sachlich und förmlich, eine Eigenart, die sie bisher immer schätzte, aber diesmal stieß es sie zum ersten Mal ab.
„Es tut mir leid“, sagte sie plötzlich, „aber Sie kommen zu spät. Erst vor einer halben Stunde habe ich ihn rausgeworfen. Ich hatte viel Ärger mit ihm, aber das wissen sie ja schon.“
„Sind Sie sich sicher, dass er nicht da ist?“
Mit diesen Worten machte Aschenbach einen Schritt nach vorne, doch Clara ging nicht zur Seite, stattdessen lehnte sie sich in den Türrahmen und versperrte ihr somit den Weg. Daraufhin griff die Beamtin in die Tasche und holte eine dunkelgraue Visitenkarte heraus.
„Rufen Sie mich an. Falls er noch auftaucht?“
„Möglich!“
Auf der Visitenkarte standen einige Logos: eins von der Deutschen Rentenversicherung, eins von einem staatlichen Pflegeservice, eins von einer Krankenkasse und ein letztes von einem Beerdigungsinstitut. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, marschierten Aschenbach und der Pfleger davon.
Clara schaute ihnen nach, nur um sicher zu sein, dass sie auch das Haus verließen.
„Ich geh’ dann jetzt!“, meinte Maximilian und trug seine Sachen zur Tür. „Vielen Dank, für alles.“
„Sie sollten einen Moment warten! Sicher ist sicher.“
„Muss ich mich jetzt dafür bedanken?“
„Nein!“
„Gut!“
Maximilian stand einfach nur im Raum. Im Hintergrund brachten sie im Fernsehen die aktuellen Nachrichten, anscheinend hatte es in der Stadt einen großen Auffahrunfall gegeben und zwei Giraffen, die für den Zoo bestimmt waren, flüchteten durch die City. Außerdem sollte es die nächsten Tage regnen, wie immer. Die beiden warteten, die Wanduhr tickte, jede Sekunde wurde zum Hammerschlag.
Clara fehlten die Worte. Sie hatte ihm geholfen und es war ein gutes Gefühl, obwohl sie nie angenommen hätte, dass sie das jemals für ihn tun würde. Die ganze Zeit wollte sie Rache, ihn loswerden, einfach nur allein sein. Jetzt, wo er ging, vermisste sie ihn bereits, den alten Kauz. Vielleicht wäre alles anders gelaufen, wenn ihr Kennenlernen nicht mit einer Lüge begonnen hätte. Und dennoch: Er betrog sie, belog sie und zerstörte ihre Beziehung.
Clara holte eine handvoll abgepackte Desinfektionstücher hervor und steckte sie Maximilian in die Tasche.
„Man weiß ja nie, wo man hinkommt!“
Maximilian nahm seine Sachen und trottete den Flur entlang. Clara ging in die Wohnung. Dann setzte sie sich vor den Fernseher. Gleich begann ihre Lieblingsserie – „Friends“.

Beitragszeiten
    Es war schon zu spät, um seinen Bruder zu besuchen. Das musste er verschieben. Vielleicht käme er am nächsten Tag vorbei, um nach ihm zu schauen. Jetzt ging es darum, eine Unterkunft für die Nacht zu finden; vielleicht bei Tommy. Manchmal hielt er sich um diese Uhrzeit noch im Park auf, um nach den Eichhörnchen zu sehen. Er drehte dann seine Runde und schloss alle Tore zum Park, damit keine streunende Hunde die Eichhörnchen jagten. Doch an diesem Abend befand sich kaum jemand dort, die Tore standen alle offen und niemand der Anwesenden hatte den Kleinen Tommy gesehen.
Vielleicht lag er krank im Bett, das ideale Wetter für Erkältungen und im hohen Alter musste man vorsichtig sein,

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